ART:0557 - Ein Tagebuch Stefan Jägers: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Die Stefan-Jäger-Gedenkausstellung im Atelier des Malers in Hatzfeld | ||
+ | enthält nur einen kleinen Teil seines Lebenswerkes, das Hunderte, ja | ||
+ | Tausende von Skizzen und Arbeiten in Öl und Aquarell umfaßt, die kreuz und | ||
+ | quer über die ganze Banater Heide und Hecke verstreut sind. Dies ist ein | ||
+ | Beweis dafür, daß Stefan Jägers Werk Eigentum des Volkes geworden ist, aus | ||
+ | dessen Leben, Arbeit und Festen, Sitten und Bräuchen es entsprungen ist. | ||
+ | Über Stefan Jäger wurde schon viel geschrieben. Wir möchten heute auf | ||
+ | die intimsten Schöpfungen des Malers eingehen, die dem breiten Publikum | ||
+ | weniger bekannt sind und die sozusagen das Tagebuch des Malers bilden. Es | ||
+ | sind dies die vielen Hunderte von Blättern verschiedener Größen und | ||
+ | unterschiedlicher Qualitäten des Papiers, auf welchen das Banater Volksleben | ||
+ | in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten ist, sei es mit Bleistift, Tusche | ||
+ | oder in den durchsichtigen frischen Farbtönen des Aquarells. All seine | ||
+ | Skizzen wurden nicht auf dem Reißbrett oder auf der Staffelei im Atelier | ||
+ | entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen, inmitten der | ||
+ | Natur, inmitten des Volkslebens aus unmittelbarem Erleben entstanden. | ||
+ | Die Banater Landschaft hat Jäger m den verschiedensten | ||
+ | atmosphärischen Stimmungen skizziert. Es sind tiefe Erlebnisse der Natur, die | ||
+ | sich in ihrem zyklischen Rhythmus der Jahreszeiten bewegt. Mit den | ||
+ | sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen, | ||
+ | die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und aufgelockert | ||
+ | erscheinen, ein andennal wieder verdichtet aufgetragen sind, gelingt es Stefan | ||
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+ | Heimaterde, ihre Vegetation, für die Tiere, die Menschen und alles, was der | ||
+ | Mensch selbst geschaffen, entstanden. | ||
+ | Zahlreiche Skizzen stellen Szenen aus der Arbeit des schwäbischen | ||
+ | Bauern dar: beim Ackern, Schnitt, Drusch, bei der Maisernte usw. , daneben | ||
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+ | Dreschmaschine - in ihren Details aufi:wtiert. Der Bauernhof mit all seinem | ||
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+ | mit den einzelnen Möbeln geben dem Maler oft Stoff zur Inspiration. Die | ||
+ | meisten -dieser Themen sind jedoch nicht zu Ölbildern verarbeitet worden, da | ||
+ | die Besteller meist Hühnerhöfe und Idyllen bevorzugten. | ||
+ | 280 | ||
+ | Blättern wir aber weiter in dieser Schatzkammer kostbaren Volksgutes, | ||
+ | so erfreut sich unser Auge an der Farbenpracht der Trachtenskizzen. In | ||
+ | sicheren Grundrissen ist eine Bewegung, eine Haltung oder der Faltenwurf | ||
+ | einer Tracht festgehalten. Hier sind Trachten aus fast allen Dörfern des | ||
+ | Banats in ihrer Buntheit aufbewahrt. | ||
+ | Mit demselben Blick für das Detail notiert er auch hier die kleinsten | ||
+ | Unterschiede in den Trachten der verschiedenen schwäbischen Dörfer. Von | ||
+ | den Kindern bis zu den Erwachsenen, den Mädchen und Frauen sind alle in | ||
+ | ihrem Alltagskleid sowie in ihrem Sonntagsstaat aufgezeichnet. Ausführliche | ||
+ | Beschriftungen machen uns aufmerksam auf Eigenheiten oder Unterschiede | ||
+ | der Trachten oder aber auf Farbe und Muster der Röcke und Schultertücher. | ||
+ | Auch die Haartracht der Mädchen und Frauen, ihr Kopfputz sowie ihre | ||
+ | Kopfbedeckung ist in zahlreichen gesonderten Studien des Malers | ||
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+ | Zur Zeit der Festtage war Jäger ein rastloser Wanderer. Er zog durch die | ||
+ | Dörfer, um Bräuche, Sitten und Trachten seiner Landsleute auf Papier zu | ||
+ | bringen . Die Kerwei, das Erntefest und andere Volksfeste sind in allen | ||
+ | Einzelheiten dargestellt - vom Kerweihut und Rosmareinstrauß bis zu | ||
+ | Kompositionen mit Vortanz und Lizitation sind Szenen in vielen Varianten | ||
+ | von der Hand des Malers mit dokumentarischer Genauigkeit skizziert worden. | ||
+ | Aus der Perspektive eines stillschweigenden Zuschauers, der oft unbeachtet in . | ||
+ | diesem lustigen Treiben sich in eine Ecke zurückzog, dessen Blick aber nicht | ||
+ | das Geringste entging, notierte er eben auf ein Stückchen Papier, das ihm zur | ||
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+ | Leute fand - ein Beweis der Unmittelbarkeit, aus der heraus seine Skizzen | ||
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+ | beschwingte Polkaschritt virtuos gestaltet. Die Dorfmusik mit ihren Bläsern, | ||
+ | die Tanzpause mit ihren Neckereien der jugend und nicht zuletzt die Reihen | ||
+ | der Zuschauer mit den älteren Frauen, Großmüttern, Tanten und Kindern, sie | ||
+ | alle ergänzen das Bild des Dorflebens im Festtagskleide. Viele der Blätter | ||
+ | sind überschriftet mit den nötigen Angaben was Farbe, Gruppierung der | ||
+ | Personen oder sonstige Einzelheiten betrifft. | ||
+ | Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem | ||
+ | unerschöpflichen Quell bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat. | ||
+ | Es sind wahrheitsgetreue, mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte | ||
+ | Bilder der Wirklichkeit, die viel Wänne und Liebe, viel Verständnis des | ||
+ | Malers für seine Mitmenschen und Umwelt ausstrahlen. | ||
+ | 281 . | ||
+ | Lassen wir Stefan Jäger selbst zu uns sprechen: "Meine malerische | ||
+ | Tätigkeit war hauptsächlich dahin gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft | ||
+ | ausgefüh1ie Bilder in leicht verständlicher Fonn init Motiven aus dem Banater | ||
+ | Volksleben und Heidelandschaften zugänglich zu machen". Diese Worte | ||
+ | stehen als Motto in der Ausstellung und über dem gesamten Lebenswerk | ||
+ | Stefan Jägers, das seine Liebe zum banatschwäbischen Menschen zum | ||
+ | Ausdruck bringt. | ||
+ | Unzählige Werke, sowie Hunderte von Aquarell-, Tusch- und | ||
+ | Bleistiftskizzen sind eine farbenfrohe, lebendige Widerspiegelung der | ||
+ | Lebensweise des schwäbischen Bauern, seines Alltags und seiner Feste, der | ||
+ | Trachten und Bräuche - eine schwäbische Ethnographie. | ||
+ | (NBZ. T 2 7. VII. 1969) | ||
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+ | ==PDF-Datei des Artikels== | ||
+ | * {{pdf|ART_0557.pdf|Werte aller Zeiten}} | ||
[[Kategorie:Buch]] | [[Kategorie:Buch]] | ||
[[Kategorie:Ethnogarphie]] | [[Kategorie:Ethnogarphie]] |
Version vom 29. Februar 2016, 16:21 Uhr
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0557 |
Autor Name: | Dr. Annemarie Podlipny-Hehn |
Titel des Artikels : | Ein Tagebuch Stefan Jägers |
Publikation: | Buch |
Titel der Publikation: | Werte aller Zeiten |
Untertitel der Publikation: | Kunstgeschichtliche und -kritische Studien und Beiträge |
Verlag: | Kriterion |
Erscheinungsort: | Bukarest |
Jahr: | 1998 |
Seite: | 280ff |
* [[Dr. Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0557 - Ein Tagebuch Stefan Jägers|<i>Ein Tagebuch Stefan Jägers</i>]]. Werte aller Zeiten. Kriterion, Bukarest 1998 |
EIN TAGEBUCH STEFAN JÄGERS
DIE SKIZZEN GEHÖREN ZU DEM WERTVOLLSTEN,
DAS DER MALER HINTERLIESS
Die Stefan-Jäger-Gedenkausstellung im Atelier des Malers in Hatzfeld
enthält nur einen kleinen Teil seines Lebenswerkes, das Hunderte, ja
Tausende von Skizzen und Arbeiten in Öl und Aquarell umfaßt, die kreuz und
quer über die ganze Banater Heide und Hecke verstreut sind. Dies ist ein
Beweis dafür, daß Stefan Jägers Werk Eigentum des Volkes geworden ist, aus
dessen Leben, Arbeit und Festen, Sitten und Bräuchen es entsprungen ist.
Über Stefan Jäger wurde schon viel geschrieben. Wir möchten heute auf
die intimsten Schöpfungen des Malers eingehen, die dem breiten Publikum
weniger bekannt sind und die sozusagen das Tagebuch des Malers bilden. Es
sind dies die vielen Hunderte von Blättern verschiedener Größen und
unterschiedlicher Qualitäten des Papiers, auf welchen das Banater Volksleben
in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten ist, sei es mit Bleistift, Tusche
oder in den durchsichtigen frischen Farbtönen des Aquarells. All seine
Skizzen wurden nicht auf dem Reißbrett oder auf der Staffelei im Atelier
entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen, inmitten der
Natur, inmitten des Volkslebens aus unmittelbarem Erleben entstanden.
Die Banater Landschaft hat Jäger m den verschiedensten
atmosphärischen Stimmungen skizziert. Es sind tiefe Erlebnisse der Natur, die
sich in ihrem zyklischen Rhythmus der Jahreszeiten bewegt. Mit den
sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen,
die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und aufgelockert
erscheinen, ein andennal wieder verdichtet aufgetragen sind, gelingt es Stefan
Jäger in seinen Skizzen, die Atmosphäre der Landschaft festzuhalten . Dies
alles ist aus einem tiefen Verständnis und aus Liebe für die Natur und
Heimaterde, ihre Vegetation, für die Tiere, die Menschen und alles, was der
Mensch selbst geschaffen, entstanden.
Zahlreiche Skizzen stellen Szenen aus der Arbeit des schwäbischen
Bauern dar: beim Ackern, Schnitt, Drusch, bei der Maisernte usw. , daneben
sind die verschiedensten Geräte - angefangen von der primitiven Egge bis zur
Dreschmaschine - in ihren Details aufi:wtiert. Der Bauernhof mit all seinem
Zubehör, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernstube
mit den einzelnen Möbeln geben dem Maler oft Stoff zur Inspiration. Die
meisten -dieser Themen sind jedoch nicht zu Ölbildern verarbeitet worden, da
die Besteller meist Hühnerhöfe und Idyllen bevorzugten.
280
Blättern wir aber weiter in dieser Schatzkammer kostbaren Volksgutes,
so erfreut sich unser Auge an der Farbenpracht der Trachtenskizzen. In
sicheren Grundrissen ist eine Bewegung, eine Haltung oder der Faltenwurf
einer Tracht festgehalten. Hier sind Trachten aus fast allen Dörfern des
Banats in ihrer Buntheit aufbewahrt.
Mit demselben Blick für das Detail notiert er auch hier die kleinsten
Unterschiede in den Trachten der verschiedenen schwäbischen Dörfer. Von
den Kindern bis zu den Erwachsenen, den Mädchen und Frauen sind alle in
ihrem Alltagskleid sowie in ihrem Sonntagsstaat aufgezeichnet. Ausführliche
Beschriftungen machen uns aufmerksam auf Eigenheiten oder Unterschiede
der Trachten oder aber auf Farbe und Muster der Röcke und Schultertücher.
Auch die Haartracht der Mädchen und Frauen, ihr Kopfputz sowie ihre
Kopfbedeckung ist in zahlreichen gesonderten Studien des Malers
anzutreffen.
Zur Zeit der Festtage war Jäger ein rastloser Wanderer. Er zog durch die
Dörfer, um Bräuche, Sitten und Trachten seiner Landsleute auf Papier zu
bringen . Die Kerwei, das Erntefest und andere Volksfeste sind in allen
Einzelheiten dargestellt - vom Kerweihut und Rosmareinstrauß bis zu
Kompositionen mit Vortanz und Lizitation sind Szenen in vielen Varianten
von der Hand des Malers mit dokumentarischer Genauigkeit skizziert worden.
Aus der Perspektive eines stillschweigenden Zuschauers, der oft unbeachtet in .
diesem lustigen Treiben sich in eine Ecke zurückzog, dessen Blick aber nicht
das Geringste entging, notierte er eben auf ein Stückchen Papier, das ihm zur
Hand war; oftmals war es auch nur ein Packpapier, das ihm eine
gastfreundliche Hausfrau reichte, eine Heftseite, die ihm ein Kind gab, ein
Zeitungspapier oder die Kehrseite irgendeines Fotos, das er im Hause der
Leute fand - ein Beweis der Unmittelbarkeit, aus der heraus seine Skizzen
entstanden. Viele dieser Stegreifzeichnungen warf er in Wirtshäusern hin; in
ihnen ist der Rhythmus der sich im Ländler wiegenden Paare oder der
beschwingte Polkaschritt virtuos gestaltet. Die Dorfmusik mit ihren Bläsern,
die Tanzpause mit ihren Neckereien der jugend und nicht zuletzt die Reihen
der Zuschauer mit den älteren Frauen, Großmüttern, Tanten und Kindern, sie
alle ergänzen das Bild des Dorflebens im Festtagskleide. Viele der Blätter
sind überschriftet mit den nötigen Angaben was Farbe, Gruppierung der
Personen oder sonstige Einzelheiten betrifft.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem
unerschöpflichen Quell bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat.
Es sind wahrheitsgetreue, mit strengster Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte
Bilder der Wirklichkeit, die viel Wänne und Liebe, viel Verständnis des
Malers für seine Mitmenschen und Umwelt ausstrahlen.
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Lassen wir Stefan Jäger selbst zu uns sprechen: "Meine malerische
Tätigkeit war hauptsächlich dahin gerichtet, meinen Landsleuten gewissenhaft
ausgefüh1ie Bilder in leicht verständlicher Fonn init Motiven aus dem Banater
Volksleben und Heidelandschaften zugänglich zu machen". Diese Worte
stehen als Motto in der Ausstellung und über dem gesamten Lebenswerk
Stefan Jägers, das seine Liebe zum banatschwäbischen Menschen zum
Ausdruck bringt.
Unzählige Werke, sowie Hunderte von Aquarell-, Tusch- und
Bleistiftskizzen sind eine farbenfrohe, lebendige Widerspiegelung der
Lebensweise des schwäbischen Bauern, seines Alltags und seiner Feste, der
Trachten und Bräuche - eine schwäbische Ethnographie.
(NBZ. T 2 7. VII. 1969)