Stefan Jäger Archiv

Banater Volksleben in Bildern

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0976
ART 0976.jpg
Autor Name: Annemarie Podlipny-Hehn
Titel des Artikels : Banater Volksleben in Bildern
Untertitel des Artikels: Zur Stefan-Jäger-Ausstellung in Temeswar
Publikation: Buch
Titel der Publikation: Kulturspiegel. Beiträge zur Kulturlandschaft einer Vielvölkerregion
Verlag: Cosmopolitan Art
Erscheinungsort: Temeschburg
Jahr: 2014
Seite: 337-339
ISBN: ISBN:978-606-8389-50-9
* [[Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0976 - Banater Volksleben in Bildern|<i>Banater Volksleben in Bildern</i>. Zur Stefan-Jäger-Ausstellung in Temeswar]]. Kulturspiegel. Beiträge zur Kulturlandschaft einer Vielvölkerregion. Cosmopolitan Art, Temeschburg 2014, ISBN 978-606-8389-50-9

Zur Stefan-Jäger-Ausstellung in Temeswar

Anlässlich der 115. Wiederkehr des Geburtsjahres Stefan Jägers und zum 30. Todesjahr des Malers veranstaltete die Kunstabteilung des Banater Museums in Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Deutschland eine Ausstellung, die in der Zeitspanne 1991-1992 in mehreren Städten Deutschlands (Ingolstadt, Nürnberg/Fürth, Stuttgart, Frankenthal, Mainz, Ulm, München) gezeigt wurde und nun im Huniady-Kastell in Temeswar zu sehen ist. Es ist dies die zweite große Ausstellung, die nach dem Tode des Malers in Temeswar entstanden ist. Erstmals kam im Jahre 1967 eine Retrospektive zustande, die sich damals auf fünf große Räumlichkeiten im linken Flügel des Schlosses erstreckte und fast ausschließlich repräsentative Werke aus Privatbesitz der Banater deutschen Bevölkerung vereinte. Es war nicht leicht, die Dörfer der Heide nach Jäger-Bildern zu durchforschen und die Besitzer zu überzeugen, ihre liebsten Bilder als Leihgabe dem Museum für eine kurze Zeitspanne zur Verfügung zu stellen. Und es ist unseren Schwaben hoch anzurechnen, dass es damals mit einer so großen Zahl von Ölgemälden und Aquarellen zu einer ansehnlichen Schau kommen konnte.
Mittlerweile hat das Museum seine Bestände durch den massiven Ankauf der Skizzen Jägers vergrößert. Auf die Bedeutung des Skizzenmaterials haben bereits Franz Ferch und Franz Liebhard hingewiesen und erstmals wurden sie 1972 in der Stefan-Jäger-Monografie veröffentlicht und danach wiederholt ausgestellt, so auch 1986 bei der 200-Jahr-Feier der Ortsgründung von Bakowa. Die gegenwärtige Ausstellung vereint einen Großteil der Skizzen aus den Beständen des Banater Museums sowie einige wenige Ölgemälde aus der Hatzfelder Jäger-Gedenkstätte. Das Zentralwerk der Ausstellung bildet das „Einwanderungsbild" aus dem Besitz des Museums, das sich seit der Gründung der Gedenkstätte (1969) in der Heidestadt im ehemaligen Atelier des Malers befand und nun die Wanderausstellung begleitete. Gern bezeichnet man das „[[WK:0376|Einwanderungsbild" als Jägers Hauptwerk, schon weil dieses Triptychon durch seine beträchtlichen Dimensionen (5 x 1,50 m) die größte und figurenreichste (80 Gestalten) Arbeit des Malers ist und vor allem weil es sehr populär ist, durch Reproduktionen unter den Landsleuten weit verbreitet wurde. Doch erst nach diesem ersten großen Schwabenbild begann Jäger sich intensiv mit der Welt und dem Schaffen der Banater Menschen auseinanderzusetzen, er wurde der beliebteste Maler der Banater Schwaben.
Über das „Einwanderungsbild", das ein bedeutendes geschichtlich-ethnografisches Dokument aus dem Leben der Banater Schwaben darstellt, wurde schon oft und viel geschrieben. Ich möchte deshalb auf die Skizzen zu diesem Thema aufmerksam machen, die weniger bekannt sind. So eine Kohlezeichnung, die singende Mädchen und Frauen auf „Ulmer Schachteln" darstellt: Sie kauern auf ihren ärmlichen Bündeln, eine Trompete begleitet ihren Wehgesang, die Kähne lagern zur Nachtruhe am Ufer der Donau, im Hintergrund stehen schweigend Leidensgenossen die Szene ist in Mondscheinromantik gehüllt. Andere Skizzen geben jedoch sehr realistisch Stationen dieser langen Reise der Ansiedler vom Rhein bis zur Donau über Ulm, Wien, Ofen bis ins Banat wieder: „Ulmer Gänsetor", „Einwanderungskolonne am Donaustrand", „Ulmer Schachteln". Mehrere Blätter haben die Ausschiffung der Ansiedler zum Thema, ein Beweis, wie sehr sich der Maler mit diesem Sujet auseinandergesetzt hat.
Doch vorwiegend ist in Jägers Werk, in seinen Skizzenblättern mit Bleistift, Tusche oder Aquarell, das Banater Volksleben in seiner Vielfalt und Buntheit festgehalten. Diese Skizzen wurden nicht auf dem Reißbrett oder auf der Staffelei im Atelier entworfen, sondern sie sind auf den täglichen Wanderungen durch die Heidedörfer aus unmittelbarem Erleben heraus entstanden.
Mit den sparsamsten künstlerischen Mitteln, durch wenige Umrisse und Farbflächen, die manchmal dünn angedeutet, von Licht durchdrungen und locker aufgetragen sind, gelingt es Stefan Jäger in seinen Skizzen, die Atmosphäre der Landschaft hingebungsvoll darzustellen. In seinen Bildern spiegelt sich eine harmonische und glückliche Dorfwelt, soziale Widersprüche bleiben ausgespart. Obwohl es sich um schlichte Darstellungen der Wirklichkeit handelt, ist man geneigt, seine Bilder feierlich zu empfinden. Frei von Sentimentalität und von keinerlei falschem Pathos belastet, muten sie eher sachlich an, doch ist es gerade diese Sachlichkeit, die den Bildern Schönheit verleiht, die Schönheit des Wahren und Einfachen.
Zahlreiche Skizzen stellen Szenen aus der Arbeit des schwäbischen Bauern dar: das Ackern und Säen, das Kartoffel setzen und die Kartoffelernte, Schnitt und Drusch, die Heimkehr vom Felde, die Maisernte - vom Kukuruzbrechen bis zum Kukuruzlieschen - die Weinlese, aber auch Marktszenen und viele andere Aspekte des täglichen Lebens sind erfasst. Die verschiedensten Geräte, angefangen von der primitivsten Egge aus Reisig bis zur Dreschmaschine erscheinen in ausführlichen Darstellungen. Lebensnah treten uns urwüchsige Bauerngestalten entgegen. Der Bauernhof mit all seinem Zubehör, sowohl der Vorderhof mit seinen Blumenbeeten als auch der Hinterhof mit den Stallungen, dem Vieh, den Hühnerhöfen, das Bauernhaus mit den schmucken Barockgiebeln, die Bauernwohnung mit den einzelnen Möbeln, vom Zapfenbrett bis zum Spinnrad, all dies gab dem Maler Anlass zur liebevollen Schilderung. Die Banater Ebene im Wandel der Jahreszeiten, die Felder und Fluren oder das Banater Heidedorf mit den kleinsten Häusern der Ärmsten am Dorfrand, die Rossmühle, schon damals eine Seltenheit und heute ganz verschwunden, nur noch in den Skizzen und Bildern Stefan Jägers verewigt, wurden vom Maler hingebungsvoll erfasst.
Es gibt keine Feste oder Bräuche der schwäbischen Dörfer, die nicht ihren Niederschlag in den Werken des Heimatmalers Stefan Jäger erfahren hätten. Die Kerweih ist in allen Einzelheiten erfasst, das Maibaumsetzen, das Erntefest mit seinem Aufzug, Hochzeit und Taufe, Christkind-Engel und Beelzebub, Silvesterständchen, Faschings- und Trachtenbälle, Mußestunden in einer Spinnstube, Plauderstündchen auf dem Gassenbänkel oder die Kartenpartien der Männer, Dorfmusik und Tanz und Neckereien der Mädchen - ein idyllisches Bild des Dorfes im Festtagskleide. Mit demselben Blick für das Detail hat er auch die Trachten aus fast allen Dörfern des Banats in ihrer Buntheit festgehalten.
Man könnte noch unzählige Themen anführen, die Jäger aus dem unerschöpflichen Reichtum bunten Volkslebens für die Nachwelt gesammelt hat. All seinen Werken liegt ein höchst gewissenhaftes und sorgfältiges Studium der Natur zugrunde. Stefan Jägers vergilbte Skizzenblätter stellen daher keineswegs nur flüchtige, gelegentlich festgehaltene Augenblickseindrücke dar, sie sind vielmehr zahllose Phasen einer mündlichen, methodisch durchgeführten Vorarbeit, deren Akribie mit jener eines Ethnografen verglichen werden kann.
Es ist eine Kunst, die tief in dem vertrauten Heimatboden und seinen Überlieferungen verankert ist. Man kann daher verstehen, weshalb Stefan Jägers Werke bei den Banater Schwaben so großen Anklang finden: Er hat seinen Landsleuten tief ins Gemüt und Bewusstsein geschaut, sie können sich mit der Aussage seiner Bilder identifizieren. Sie fühlen darin ihr Heimatgefühl so sehr bestätigt, dass diese Bilder aus den Wohnungen der Banater Schwaben nicht mehr wegzudenken sind.
NW, 31. Juli 1992


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