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ART:0852 - Ein Stück von uns: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 16. Juni 2016, 12:20 Uhr


Bibliografie
Artikel Nummer: 0852
Autor Name: Franz Heinz
Titel des Artikels : Ein Stück von uns
Untertitel des Artikels: Vor 100 Jahren wurde das Triptychon über die Ansiedlung der Deutschen im Banat enthüllt
Publikation: Kalender
Titel der Publikation: Banater Kalender 2010
Herausgeber: Aneta und Walther Konschitzky
Verlag: Banat
Erscheinungsort: Erding
Jahr: 2009
Seite: 176-179
* [[Franz Heinz]]: [[ART:0852 - Ein Stück von uns|<i>Ein Stück von uns</i>. Vor 100 Jahren wurde das Triptychon über die Ansiedlung der Deutschen im Banat enthüllt]]. Banater Kalender 2010. Aneta und Walther Konschitzky. Banat, Erding 2009
Kompositionsskizze, - WK:1021 Tusche auf Papier
Das 1910 enthüllte Triptychon, das sich im Besitz des Banater Museums befindet und im Foyer des „Adam-Müller-Guttenbrunn“-Hauses in Temeswar ausgestellt ist (Siehe unsere Beilage) - WK:0376
Siedler werden mit Vorspannwagen transportiert - WK:0916
Ankunft und Zuteilung der Häuser - WK:0174 Aquarellskizze
Zuteilung der Siedlerhäuser (dritte Tafel des Triptychons) - WK:0376
Stefan Jäger, Selbstporträt (Skizze) - WK:0099
„Das Einwanderungsbild" - WK:0376 Beilage

Es ist unser Bild. Kein anderes ist so verbreitet bei den Banater Schwaben, kein anderes hat so viel Beachtung und Zustimmung gefunden wie Stefan Jägers Triptychon. Kein zweites künstlerisches Werk hat eine solche Resonanz im Banat gefunden, und auch die anderssprachigen Nachbarn – die Rumänen, Ungarn, und Serben – haben diesbezüglich, so weit es mir bekannt ist, nichts Vergleichbares vorzuzeigen.
Was ist das Besondere an diesem Bild? Ist es seine Monumentalität, die Meisterschaft der Darstellung, oder haben doch eher seine Verehrer den Erfolg bewirkt und ihn verfestigt? Von jedem wird wohl etwas dabei sein, und jedes verdient gesondert unsere Aufmerksamkeit. Auch hier jedoch gilt die alte Regel, dass es das richtige Werk in der richtigen Zeit war.
Das Bildungswesen hatte die Abgeschiedenheit und Weltfremdheit der Dörfer durchbrochen und sie mit einem neuen Selbstwertgefühl ausgestattet, das seinen angemessenen Standort suchte. Das Vereinswesen blühte, die ausgedienten Militärmusiker gründeten mit Eifer konkurrierende Blaskapellen, Männergesangvereine traten auf, und es reihten sich die Feste aneinander: Fahnenweihen, Sport- und Sängerfeste, Kathreinbälle, Gewerbeausstellungen. Ortsmonographien wurden geschrieben.
Das sich die Banater Schwaben für ein monumentales Gemälde entschieden, über-rascht zunächst. Im eigenen regionalen Kulturverständnis wie in dem der anderssprachigen Nachbarn gibt es kaum Anhaltspunkte, die auf eine identitätsstiftende künstlerische Monumentalarbeit hinweisen. Der häusliche Bedarf war im Wesentlichen auf die Heiligenbilder im Herrgottswinkel beschränkt und wurde von Fliegenden Händlern versorgt. Mehr an Kunst war weder nötig, noch gewünscht. Die geschichtsprägende Funktion der Historienmalerei allerdings war zumindest der gehobenen Schicht so unbekannt nicht und dürfte diese in ihrer Entscheidung für ein Einwanderungsbild bestärkt haben. Denn es war die legendäre Siedlungsleistung der Ahnen, die als historische Tat im Bewusstsein der Banater Schwaben verankert war, auf die man stolz sein durfte und auf die man hinzuweisen sich nicht scheute.
Es bleibt ein kleines Wunder, wie die recht ansehnliche Vorfinanzierung des Bildes und dessen spätere Vermarktung bei den sonst nüchtern kalkulierenden Schwaben auf der Banater Heide greifen konnte. Vergessen wir nicht, hier war viel Geld für etwas auszugeben, von dem die Meisten keine rechte Vorstellung haben konnten und wohl auch nicht viel gehalten haben mochten.
Jäger lieferte recht schnell ein drei Meter langes Bild, das so genannte „ursprüngliche" Einwanderungsbild, das bereits die uns bekannte Dreiteilung „Wanderung", „Rast" und „Ankunft" enthielt, jedoch in den historischen Trachten der Einwanderungszeit Mängel aufwies, die beanstandet wurden und auf Betreiben von Johann Walzer, Direktor der Gertjanoscher Kleinbauernsparkassa, dazu führte, dem Künstler eine Studienreise nach Deutschland zu ermöglichen.
Es entstand ein Manumentalgemälde, das im Ergebnis mit den uns bekannten Maßen von 5,10 x 1,45 Meter und mehr als 80 dargestellten Gestalten das bisher größte Gemälde der Banater Schwaben ist. Dass es auch mit Abstand unser liebstes Bild ist, verdanken wir dem Können des Malers wie auch der Geschäftstüchtigkeit von Adam Röser aus Gertjanosch. Er hatte bei der Budapester Verlagsgesellschaft Franklin Farbreproduktionen des Einwanderungsbildes in großer Auflage herstellen lassen und vertrieben.
Dieser Erfolg hatte dazu geführt, im Leben und in der Arbeit der Banater Schwaben ein Thema finden zu können, das auf Jäger zugeschnitten war und zum Inhalt seines Malerlebens werden sollte. Mehr noch als in den vielen Hunderten Aquarellen aus dem Banater Dorfleben sind es die ungezählten Skizzen zur Tracht, zum Festtag und zur Arbeitswelt, die zeigen, mit welcher Sorgfalt und Hingabe der Hatzfelder Meister sich des erkannten und gewählten künstlerischen Lebensthemas angenommen hat. Was ihn letzthin zum „Schwabenmaler" werden ließ, ist die tiefe Verinnerlichung und künstlerische Umsetzung der heimatlichen Welt, wie sie vorwiegend in der Zwischen-kriegszeit wahrgenommen und verstanden wurde.
Das Ereignis der Enthüllung des Einwanderungsbildes zur Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung zu Pfingsten 1910 in Gertjanosch ist in die Annalen der Banater Schwaben eingegangen. Tausende kamen, staunten und feierten alles mit, was es zu feiern gab.
Es mag auffallen, dass auf Jägers Einwanderungsbild, im damals nationalistischen Ungarn entstanden, nichts Ungarisches auch nur andeutungsweise vorkommt – neben den dargestellten Einwanderern ist als einzige andere Figur lediglich ein Beamter der Kameralverwaltung dargestellt, der im dritten Teil des Gemäldes den Neuankömmlingen die Häuser zuweist. Ein Ungar ist es nicht. Dennoch ist nicht anzunehmen, dass Stefan Jäger damit eine politische Haltung sichtbar machen wollte. Sein Verhältnis zu den Ungarn dürfte unbeschwert gewesen sein, zumal sein gesamter Bildungsweg zwischen 1893 und 1899 über Szegedin und Budapest gelaufen war, auf einer Schiene, die ungarischer nicht sein konnte. Festzuhalten wäre bestenfalls, dass sich ihm in der Konzeption des Einwanderungsbildes das ungarische Element nicht aufdrängte. Es fand in seiner Bildidee keinen Platz, doch war Stefan Jäger zu unpolitisch, um dahinter eine Gegenposition erkennen zu wollen. Wahrscheinlich folgte er damit einer malerischen Intuition, die keine politische Auslegung zulässt. Nicht zuletzt darin ist wohl auch die Identitätswirkung zu suchen, die dem Bild nachgesagt wird, zusammengefasst in dem schönen Einwandererspruch „Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot". Etwas davon finden wir in Stefan Jägers Triptychon eingearbeitet: den Drang und die Bereitschaft Heimat zu finden und ihr unser Gesicht zu geben.
Das Einwanderungsbild präsentiert nicht ein Heldenepos. Es ist ein künstlerisch ausgereifter Bericht über das Ereignis der Einwanderung. Der Künstler heroisiert nicht – er zeigt, wie wir Heimat finden, und dass es ein eher fragwürdiges Glück gewesen sein mochte, das die deutschen Auswanderer in Ungarn vorgefunden hatten. Denken wir daran, wie nahe liegend es doch gewesen sein dürfte, zum Beispiel ein Triptychon mit der Eroberung des Banats durch den Prinzen Eugen, die Rodung der Wildnis und dem Triumph der Ernte als Einzelteile zu gestalten, so muss uns Stefan Jägers aufrichtige und dezente Variante über unsere Ankunft in der Fremde mit Dank erfüllen. Nichts Belastendes haftet dem Bild an, es ist frei von jeder großen Geste und von jeder Überheblichkeit. Es ist bemerkenswert, dass spätere Varianten sich einer triumphalen Darstellung zwar annäherten, bei den Banater Schwaben jedoch nie eine auch nur annähernde Aufnahme wie das eigentliche Einwanderungsbild gefunden haben. Das dürfen wir uns gut schreiben, dass wir mit Herz und Sinn immer für dieses Monumentalwerk Stefan Jägers gestimmt haben, es angenommen haben und bewahren wollen – denn es ist ein Stück von uns.

Franz Heinz (Aus einem Vortrag, gehalten bei der Banater Kulturtagung in Sindelfingen, 2007)


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