Stefan Jäger Archiv

Über die Anfänge der Eisenbahn

Aus Archiv
Version vom 5. Januar 2020, 16:19 Uhr von Herwig (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „__KEIN_INHALTSVERZEICHNIS__ {{DISPLAYTITLE:Über die Anfänge der Eisenbahn}} {{Infobox Bibliografie |Artikelnummer =1260 |Cover…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche


Bibliografie
Artikel Nummer: 1260
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Über die Anfänge der Eisenbahn
Untertitel des Artikels: Die älteste Eisenbahnlinie im Lande / Die „große Bahn" - das Stationsgebäude
Publikation: Zeitschrift
Titel der Publikation: Volk und Kultur
Erscheinungsort: Bukarest
Jahr: 1982
Jahrgang: 34
Heft: 1 (Januar)
Seite: 48-49
* [[Karl-Hans Gross]]: [[ART:1260 - Über die Anfänge der Eisenbahn|<i>Über die Anfänge der Eisenbahn</i>. Die älteste Eisenbahnlinie im Lande / Die „große Bahn" - das Stationsgebäude]]. Volk und Kultur, Bukarest 1982 (Jg.34 Heft1 (Januar)), S. 48-49

Die älteste Eisenbahnlinie im Lande / Die „große Bahn" - das Stationsgebäude

Bahnhof mit Park und Denkmal (Hatzfeld zu Beginn des 20. Jahrhundert; nach einer alten Illustration)
Stefan Jäger - Hatzfelder Dorfrand mit Schmalspur (Aquarell) - WK:0223


Es ist schon eine geraume Zeit her, daß mich der Gedanke um unsere „alte Eisenbahn", von der ältere Ortseinwohner immer schon so man­cherlei Interessantes zu bedchten wußten, zu beschäftigen begann. Eben war ich dabei, das gesammelte Material zu ordnen und zu bearbeiten, als mir der von „Ştiință și tehnică" herausgegebene „Almanach '81" in die Hände kam. Ein an mancherlei Wissenswertem reichhaltiges Büch­lein. Daselbst ist bei „Rekorde" nicht nur die lautstärkste Stimme der Welt (des Engländers Skipper Kenny, mit vollen 111 dB) und dgl. er­wähnt, sondern auch die älteste Bahnlinie Rumäniens findet an gleicher Stelle ihren gebührenden Platz. Es handelt sich nämlich um die Hatzfeld-­Temeswar-Linie, die vor 123 Jahren [1] errichtet wurde. („Cea mai veche cale ferafă din Romania este construită pe distanta Timișoara-Jimbolia. Ea implinește 123 ani"; Știintă și tehnică, Almanah '81, S. 52).[2] Dieser Tatsache Rechnung tragend und vor allem jener, wonach unser „Großer Bahnhof" vor 80 Jahren am obersten Stadtende errichtet wurde, kommen wir auf die erwähnte Eisenbahnlinie und insbesondere auf die „Station" zu sprechen.

Mit dem Bau der ersten Eisen­bahnstrecke hatte Cesar Colombo im Auftrage der STEG (Staats-Ei­senbahngesellschaft) im Jahre 1854 begonnen. Sie stellte eine Teilstrelc­ke der Temeswar-Orschowa-Linie bzw. Szegeder Linie dar, durch die man einen weiteren Anschluß für den Eisenbahnverkehr nach Buda­pest und Wien geschaffen hatte. Ursprünglich, so erzählten die Al­ten im Dorfe, sollte diese Eisen­bahnstrecke, von Szeged kommend, einen geradlinigen Verlauf nehmen. Schon ein kurzer Blick auf die alte Komitatskarte zeigt uns aber eine kräftige Bogenlinie des eingezeich­neten Schienenstranges, der von Szeged kommend ziemlich nach Süden strebt und plötzlich vor Kikinda, stracks nach Hatzfeld und Temeswar hält. Vorge sehen waren Grabatz, Tchadad (Csatad, Lenauheim) und Großjet­scha. Leider aber, so erzählt man sich, zeigten die Bauersleute aus den erwähnten Ortschaften für die geplante Verkehrseinrichtung kei­nerlei Verständnis und widersetzten sich, weil angeblich ihre Pferde vor den fauchenden Ungetümen (den Eisenbahnlokomotiven) ausrei­ßen würden und weil sie selbst für den Dammbau (also die Eisenbahn­strecke) nichts von ihren Feldern zur Verfügung stellen wollten. Nicht zuletzt glaubten andere, daß ihnen eine weitere Erwerbsmöglich­keit, uzw. das „Fuhren machen" (Lohnfahrten mit Pferd und Wa­gen) verloren ginge. Deswegen wol­len wir unseren Vorfahren weiter keine Vorhaltungen machen, ob wohl einige dieser Dörfer erst zu Beginn unseres Jahrhunderts an den Eisenbahnverkehr angeschlos­sen wurden, während wieder an­dere gar nicht an die Reihe kamen (z.Z. Großjetscha), bis in jüngster Zeit schließlich ein reger Autobusverkehr für den Anschluß an das Eisenbahnnetz (ab Gertjanosch) bzw. zur Arbeitsstätte sorgte.

So kam es also, daß der damals „hiesige" Graf Csekonics sich um diese Verkehrseinrichtung bewarb (n. Paul Marin: ,,Csekonics inter­venierte und überläßt Terrain, für die Bahnlinie unentgeltlich an STEG"). Er hatte ein leicht zu gewinnendes Spiel, zumal seine Do­mäne nicht weniger als 40.000 Joch Felder umfaßt und sich von Hatz­feld bis Großbetschkerek erstreckte.

Die vordem erwähnte Bahnstrecke wurde am 2. September dem Ver­kehr übergeben. Sie hatte nicht nur für Hatzfeld, sondern auch für die anderen auf der Wegstrecke nach Temeswar liegenden Ortschaften eine merkliche Rolle gespielt. Überhaupt waren es die Gertjanoscher, die sich mit dieser Verkehrs­möglichkeit schon von aller An­fang rühmten. So schrieb ein Chro­nist mit lokalpatriotischem Eifer: „Die Eisenbahn hatte für die Ge­meinde eine große wirtschaftliche Bedeutung. Wir wurden Mittel­punkt für die ganze Umgebung, denn die anderen Bahnlinien Hatz­feld-Pardany und Temeswar-Groß­kikinda wurden erst am 16. Dezem­ber 1896 eröffnet. Infolgedessen war sowohl der Güter- wie auch Personenverkehr sehr rege ... " In der Tat, Hatzfeld hatte um diese Zeit (also zu Beginn der zwei­ten Hälfte des vergangenen Jahr­hunderts) mit seinem relativ klei­nen Stationsbetrieb kaum größere Bedeutung im Eisenbahnverkehr als andere Dörfer der Umgebung. Das sollte sich aber recht bald än­dern, weil doch beginnend mit dem achten Jahrzehnt, neben dem um­fangreichen Feudalbetrieb des Gra­fen, der gewiß größere Mengen landwirtschaftlicher Produkte für die aufkommenden und aufstre­benden Großstädte bzw. die Metro­pole lieferte, auch die Industrie ih­ren Anfang nahm. So wurde der erste Ringziegelofen gebaut, dann andere Ziegeleien, die erste Dampf­mühle und andere Mühlen, die Hut-, die Kamm- und Knopffabrik und andere Fabriken reckten ihre Schlote zum blauen Himmel. Mit dieser wirtschaftlichen Ausweitung sollte auch das Transportwesen an Umfang und Bedeutung gewinnen. Es wurden noch neue Bahnlinien nach Hatzfeld gelegt; ab Pardany, Großbetschkerek und schließlich kam auch noch Lowrin dazu. So kam es auch, daß man sich für den Bau eines neuen, des großen Bahngebäudes und die Erweiterung des Bahnhofs (um die Jahrhundertwen­de) entschloß. Es wurde unweit (an die 40-50 Schritt) vom alten Sta­tionsgebäude erbaut, an dessen Stelle heute ein kleiner Wasserturm steht. In dessen Baukörper wurde eine Eisenstange als Erinnerungszeichen eingelegt. Das neue Stationsgebäude, also das jetzige, die „Große Bahn", entsprichzt jenem Bautyp, wie man ihn bei einer Eisenbahnfahrt durch unser Land, hauptsächlich im Banat, noch sehen kann. Es ist ein zwerchgestelltes Einstockgebäude in Roh­ziegeln, also aus gelben unverputz­ten Brennziegeln ausgeführt, dessen mittlerer Hauptteil leicht hervor­springt und von zwei symmetrisch anqesetzten, turmartig nach oben gezogenen Vorbauten flankiert wird. Über diesem mittleren Fas­sadenteil, der nahezu ein Drittel der Vorderfront des Gebäudes ein­nimmt, baut sich ein ziemlich breit angelegtes Zeltdach mit abgeflach­tem Oberteil auf, während der übrige etwas zurückgezogene Zwerchbau von einem Satteldach überdeckt wird. Diese typische Bahnhofsarchitektur verleiht dem Gebäude ein massiveres Aussehen, obzwar noch ein niederes Häuschen /im angeglichenen Baustil) an der rechten Giebelseite angeschlossen ist. Mit dieser Gassenfront sieht das Gebäude die „Florianistraße" bis zur Stadtmitte hinab.

An der anderen Längsfront, der dem Schienengelände zugekehrten Seite, gibt es einen aus gußeisernen Säulenstützen ausgeführten „Peron", dessen Hängedach aus Weißblech einen langen und geräumigen offe­nen Gangraum überdeckt.

Obzwar der Eisenbahnverkehr schon nahezu ein halbes Jahrhun­dert von und nach Hatzfeld verlief, kam es erst im Jahre 1900 zu dem ziemlich aufwendigen Bau, für den 70.000 fl. verwendet wurden. Hinzu kam noch die Erweiterung des Bahnhofs, was noch weitere 200.000 fl. kosten sollte.

Am 1. November des gleichen Jahres wurde der neue Bahnhof dem Verkehr übergeben. Die Zeit­genossen lobten ihn als einen „Mo­numentalbau, auf den Szombolya stolz sein kann und der jeder grö­ßeren Stadt zur Ehre gereichen könnte". Und noch ein weiteres Ereignis nahm die volle Aufmerk­samkeit und Begeisterung der Leute in Anspruch. Nämlich die neuartige Beleuchtung, die den ganzen Bahn­hof samt seinen Geleisen, begin­nend mit der anbrechenden Dun­kelheit in vollem Lichterschein er­strahlen ließ: „Auch die luxuriöse Einrichtung und brillante Beleuch­timg desselben mit Acetylengas ist höchst elegant". Dieser „eleganten" Beleuchtung folgte bei uns aber schon recht bald die elektrische, weil doch unsere Ortschaft schon im Jahre 1909 ihr eigenes Elektri­zitätswerk haben sollte. Und noch etwas sei erwähnt, nämlich: „Der erste Zug, der im neuen Bahnhof anhielt, war der um 4 Uhr 16 Minuten Früh fällige Budapest-Or­schowarer Personenzug Nr. 710."

Der Bau der neuen, der ersten Eisenbahnlinie, die an den Nord­rand des großen Dorfes zu liegen kam, brachte für die Einwohner und vor allem die Gemeindeväter weitere Probleme mit sich, deren Lösung nicht gerade leicht war, aber dennoch ausgeführt werden mußte. Nämlich, an jener Stelle, wo heute das von Maklura-, Gledit­schia- und Ligustersträuchern ge­säumte Asphaltband der breiten und langen Republicii-Straße schnurgerade auf den großen Bahnhof zuhält und sich vor die­sem zu einem kleinen Platz mit eingelegter Grünfläche ausbreitet, lag früher der Gemeindefriedhof und ein Kalvarienberg aufgetürmt. So mußte man in weitem Bogen oder auf schmalen fußgetretenen Pfaden an den vielen Grabstätten vorbei, um zum „alten" Bahnhof zu gelangen. Der Friedhof wurde im Jahre 1899 „kassiert" -die Ex­humierung und Überführung fand am 27. Mai bzw. am 10. November statt -und der Kalvarienberg, „eine herrliche Zierde der Gemein­de" wurde abgetragen, „weil er dem direkten Zugang im Wege stand".

Nach weiteren fünf Jahren be­gann man auf Betreiben einiger beherzter Männer auf dem nun freien Gelände Bäume Sträucher und Blumen zu pflanzen bzw. ein Denkmal auf einem breiten Mar­morsockel zu errichten (1904). So heißt es unter anderem in einem Bericht: Über Anregung des Orts­richters Mathias Kolbusz jun. und des Gemeinderates hat die Gemein­derepräsentanz in ihrer außeror­dentlichen Generalversammlung am 4.Feber (1904) den löbl. Beschluß erbracht, auf dem alten Friedhofs­platz vor dem Staatsbahnhofe einen schönen Park anznlegen, welches Projekt sogleich in die Wirklichkeit umgesetzt wurde". Dieser relativ junge Park wurde nach ungefähr 15 Jahren wieder aufgelassen und parzelliert, so daß einige Häuser errichtet wurden bzw. andere Flä­chen als Lagerplätze Verwendung fanden. Gegenwärtig entstehen auf dem noch freien Baugrund Wohn­blocks, um dem Bahnhofsviertel unserer Stadt ein entsprechendes und gefälliges Gepräge zu verlei­hen, was allerdings den „Bauher­ren" nicht immer restlos gelingt, weil die ästhetische Gestaltung der Häuserfronten und neuen Gassen noch zu wünschen übrig läßt. Dar­auf sollte man insbesondere achten, weil doch diese Zone am Anfang, d.h. am Eingang in die Stadt liegt.

--- Ende Teil 1 ---

Die Komitatseisenbahn und „Neu-Hatzfeld" / Die „Schmalspur"

Die Errichtung des Großen Bahnhofs" wurde in erster Reihe von dem um die Jahrhundertwende zunehmenden und immer reger werdenden Eisenbahnverkehr be­dingt, dem seinerseits die Auswei­tung des Eisenbahnnetzes voraus­ging und durch di'e Hatzfeld zu ei­nem bedeutenden Verkehrsknoten­punkt wurde. Die erste wichtigere Eisenbahn­linie, die unserer Ortschaft nach der Ost-Westverbindung (Szeged­Temeswar) hinzugefügt wurde, war die nach Pardany (heute in Jugo­slawien) führende Eisenbahnstrecke, die ein gewisser Heitmann als Un­ternehmer bereits im Jahre 1894 in Angriff genommen hatte. Durch diese Einrichtung bekam Hatzfeld einen weiteren Anschluß an die in südlicher Richtung liegenden Dör­fer, was natürlich auch zu einer wirtschaftsfreudigeren Beziehung untereinander führen sollte. Inte­ressanterweise führte diese Eisen­bahnlinie über Klari nach Ketscha (zum Unterschied von heute, wo man Ketscha und' die weiteren Ort­schaften von Gertjanosch aus er­reicht), dann über Tschene, Uivar, Otelek, Johannisfeld nach Pardany und Modosch, von wo man schließ­lich über Torontal-Setschan und Lasarfeld nach Großbetschkerek kam. Die Pardanyer Eisenbahnlinie war bereits im Jahre 1895 fertiggestellt „und am 14. Dezember un­ter Entfaltung großer Festlichkeiten dem Verkehr übergeben" worden.

Damit hatte nun Hatzfeld sei­ne erste direkte Verbindung mit der damaligen Komitatshauptstadt Großbetschkerek erlangt. Diese Bahnstrecke wurde dann auch recht bald und überall als Komitatsei­senbahn bekannt. Mit der Verwirklichung dieses Vorhabens wurde um die gleiche Zeit noch ein wei­teres Eisenbahnbauprojekt in An: griff genommen, das gleichfalls auf einer anderen Route bis Großbetschkerek führen sollte.

Damit eröffnete sich für Hatzfeld noch eine zweite Ausfallslinie in die gleiche Richtung: sie führte di­rekt über Zernje, Tschesterek, Kathreinfeld und folglich auf einer kürzeren Strecke (etwa 60 km) als auf der Torontaler-Linie (etwa 90 km) zum Ziel (Endstation). Denn-noch aber benötigte man mehr Zeit für diese Fahrt, weil doch die Schmalspureisenbahn sich niemals beeilte. Man konnte ohne Weiteres während der Fahrt aussteigen und nur mal so zum Spaß daneben her­laufen oder am Bahngraben einige Feldblumen pflücken, ohne den An­schluß zur einherratternden Eisen­bahn zu verpassen.

Eine Fahrt mit der „Schmalspur" bis nach Hatzfeld dauerte an die vier Stunden und verlief ziemlich eintönig. Die Abfahrtszeiten ab hier lagen jeweils um 6, 10 und 16 Uhr herum. Die Fahrt mit der schmal­spurigen Bahn begann für die mei­sten Reisenden am „kleinen" Bahnhof, obzwar man schon am großen Bahnhof einsteigen konnte, da jede Wagengarnitur nach ihrer Ankunft in „Neuhatzfeld" von der kurzat­migen kleinen Lok, am Dorfrand vorbei auf das Endgeleise unweit des Stationsparks gezogen wurde. Abgestellt wurden die kleinen Loks in den sog. Remisen am Bahnhof Neu-Hatzfeld. Hier wurden auch täqlich die Garnituren zusammen­gestellt, die aus 3-4 Personen- und etlichen Lastwaggons für den Ab­transport von allerlei Waren, Vieh und Getreide bestanden. Heute ist vom ehemaligen Schmalspurgeleise kaum noch etwas vorzufinden. Vor Jahren aber konnte man etliche Meter hinter dem Dorf noch stück­weise einige kleinere Erhebungen vom geschotterten Schienendamm sehen. Auch auf dem am Nordrand vor dem großen Mühlengebäude ge­legenen Wiesengelände kann ein aufmerksames Auge noch kleine wallartige, bereits stark abgetragene und von Gras überwucherte Erdhaufen von der ehemaligen Torontaler Eisenbahnlinie erkennen.

Eine Fahrt mit der schmalspuri­gen Eisenbahn war ganz gewiß für die damaligen Menschen weniger romantisch und spektakulär als es uns heute, nach mehr als einem halben Jahrhundert, anmuten mag. Dennoch aber hielten die Leute damals große Dinge auf die kleine Schmalspureisenbahn. Und als sie im Jahre 1924 (damals kam Hatz­feld auf dem Wege einer zwischenstaatlichen Übereinkunft und Grenzbegradigung an Rumänien, währed Modosch und Pardany Jugoslawien angegliedert wurden) ihre letzte Fahrt unternahm, stan­den die Leute auf den Gassen und weinten buchstäblich ihrer „Schmalspur" nach, die ununter­brochen zum Zeichen des Ab­schieds im fisteldünnen Tone pfiff, bis sie dann in Juliamajor ankam. Mit der Errichtung der Toronta­ler-Linie (bzw. auch der schmalspu­rigen Bahnlinie) wurde auch ein zweiter Bahnhof „Neu-Hatzfeld", die „neii" oder „kleeni Bahn" er­baut, wo die aus Großbetschkerek kommenden Züge vorerst einliefen und dann zur „Großen Bahn" wei­terfuhren. An der kleinen Bahn stiegen schon die meisten Leute aus und nahmen dann ihren Weg zufuß oder mit dem Fiaker die Lothrin­ger-Gasse entlang, wo sie ihre einstweiligen Einkäufe tätigten, mal schnell beim Konrad-Wirten ein­kehrten oder bis zur Stadtmitte, der derzeitigen Floriani-Gasse, wo sich das Handelszentrum des gro­ßen Dorfes mit seinem zur Zeit schon kleinstädtischen Gepräge befand.

Das Stationsgebäude der „Kleeni Bahn" wurde am Ortsrande des Dorfes errichtet und entsprach in seinen Ausmaßen und dem Baustil den Gebäudetypen unserer dörflichen Bahnhöfe wie z.B. jener von Grabatz, Lenauheim usw. Das ein­ stöckige, schlichte Stationshaus steht heute noch und wird von et­lichen Leuten bewohnt, während auf dem alten Geleiseterrain des Bahnhofs die städtische Holzniederlage („Holzplatz") eingerichtet wurde.

Ein überaus gut organisierter Fiakerbetrieb sorgte aber auch für den Ab- und Antransport der Rei­senden. So hielten regelmäßig drei oder mehrere Fahrzeuge vor dem „großen" bzw. „kleinen" Bahnhof und brachten die Ankömmlinge an Ort und Stelle. Eine aus den 20-er Jahren stammende Liste mit den von der „permanenten Delegation" festgesetzten „Taxen für Fiaker und Mietsautos" gewährt einen interessanten Einblick bezüglich der Fahrpreise.

Die am. 19. Oktober 1898 dem Verkehr übergebene Schmalspurei­senbahnlinie kommt gewisserma­ßen auf das Konto des Grafen Csekonics. Sie führte zum Großteil über seine Domäne und war vor allem zur Beförderung landwirt­schaftlicher Erzeugnisse bestimmt. So kamen Milch und Butter der Meiereien von Roggendorf, der „Ho­dajen" (Meierhöfe) Julia-Major und anderer höriger, noch halbfeudaler Dörfer auf schnellem Wege zum Verbraucher in die Stadt. Dazu war die „Schmalspur" gerade gut genug. Wenn auch langsam und klein, so kam sie regelmäßig und auch bei ungünstiger Witterung an den klei­nen Bahnhöfen vorbei. Erweitert wurde die schmalspurige Eisen­bahnlinie in den folgenden Jahren ( 1898-1903) durch weitere, aber re­lativ kurze Streckenabzweigungen, die bis in die landwirtschaftlichen Betriebe, Hodajen und Güter des Grafen führen sollten. So hatte man schließlich drei Pferdebahnen für den Schienenanschluß an die „Hauptstrecke" in Betrieb genom­men. Die eine führte vom Tscheste­reker Schmalspurbahnhof zur Hanf­fabrik, nach Ivan-Major, Gyula­Major bis „Sikkut"; eine andere vom Magyarcserneyer Bahnhof bis zur Puszta Bozito und die dritte Pferdebahn schließlich nach Julia-­Major (alle diese Orte liegen heute in Jugoslawien). So kam es, daß abends die Milchprodukte der Gü­ter von der Schmalspur eingesammelt, nach Hatzfeld gebracht und in den „Nachtsimplon" verladen wurden, um dann morgens bereits in Budapest bzw. Wien ausgeladen zu werden.

Auf den Streckenabzweigungen, dem sog. Industriegeleise, wurden auch die Kinder von den angren­zenden Gütern (Gyulae-Major, Ivan­-Major, Pal-Major) nach Tscheste­rek bzw. Magyarcsernje, durch Se­parattransporte des Pferde- bzw. Lokomobilbetriebs, in die Schule und wieder zurück gebracht. Die von Hatzfeld kommende „Schmalspur" lief vorerst in süd­licher Richtung am Csitoschloß vor­bei und schlängelte im großen Bo­gen s-förmig über die Fluren der nächstliegenden Ortschaft, Csernye zu. An die 30-40 km ging die Fahrt ganz gut, bis dann schließlich dem sich mühenden Lokomobil die (Dampf-)Puste ausging, so daß eine größere (natürlich Planmäßige) Haltepause in Tschesterek gemacht werden mußte. Hier wurde die klei­ne Dampflok mit Wasser gespeist und für die Weiterfahrt wieder tüchtig aufgeheizt. Währenddessen begaben sich die Reisenden bei Schönwetter auf die „Promenade", die eigens zu diesem Zwecke für Spaziergänge von der Gemeinde während des halbstündigen oder auch einstündigen Aufenthalts er­richtet wurde. Besonderen Anlaß zur Freude boten auch die jewei­ligen Dorf- und Volksfeste (z.B. Kerweih), denen man dann und wann bei dieser Gelegenheit begeg­nete. Schließlich ging die Reise mit der Schmalspur wieder weiter. Um­ständlicher wurde sie zur Winter­zeit, nachdem das Gelände um Tschesterek bis auf 89 m über dem Meeresspiegel anstieg (Hatzfeld nur 73 m über den Meeresspiegel) und die vereisten und verschneiten Ge­leise der schnaubenden Lok Schwie­rigkeiten bereiteten. So mußte von Tschesterek bis Klek noch eine zweite Lokomotive vorgespannt werden, und laut Zeugenbericht meiner Gewährsleute, bei Schnee- verwehungen auch noch eine dritte von hinten anschieben. Das war also ein Aufwand an Energie und Leistung (!), bis dann endlich die niedliche Wagengarnitur über die alte Bega und den „neuen" Kanal (bei „Sentjuri" = Begaszent­györgy) gebracht werden konnte.

Von Tschesterek kam man dann nach Bewältigung einer 30-km­ Strecke in die Komitatshauptstadt, wo die Schmalspur vorerst in die am Stadtrand gelegene Bahnstation „einlief". Unbekümmert und lär­mend setzte das kleine wacklige Ding sodann seinen Schienenweg an der Zuckerfabrik entlang und mitten durch die Stadt, an den Häuserreihen und dem geschäftli­chen Treiben der Leute auf der Straße vorbei, fort, bis sie dann schließlich auf dem großen Platz im Stadtzentrum anhielt. Hier war Endstation und man konnte daselbst aus- und im vis-à-vis gele­genen Hotel gleich einsteigen.

So ging -es tagein und tagaus von Hatzfeld nach Betschkerek und wieder zurück, mit der kleinen Schmalspurbahn.

--- Ende Teil 2 ---

Eine Eisenbahnlinie nach Lowrin/Wieder Johannisfeld


Um die Jahrhundertwende hat­te Hatzfeld nach drei Richtungen Anschlußmöglichkeiten mit der Eisenbahn.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte noch ein weiterer Schienen­strang in nördliche Richtung nach Lowrin, mit direkter Anschlußmöglichkeit bis Arad, gelegt wer­den. Damit wurde dem Eisenbahn­verkehr im Jahre 1906 eine weitere Linie übergeben, wodurch auch die Dörfer Grabatz Lenau­heim und Bogarosch dem Eisen­bahnnetz angeschlossen wurden.

Auf dieser Strecke verkehrten in den 20er Jahren nur je zwei Züge in beide Richtungen; es be­stand also ein relativ bescheidener Bahnverkehr im Verhältnis zu heu­te, wo doch hier außer den Last­zügen in regelmäßiger Folge nach beiden Richtungen je 5 Züge fah­ren und dennoch soll es ein „Ei­senbahnkarambor in Lenauheim" gegeben haben, wovon der Chronist in sensationeller Weise zu be­richten wußte: „Montag früh ist der Hatzfeld-Arader Zug, welcher aus der Richtung Grabatz kam, wegen schlechter Wechselstellung auf ein Rangiergeleise gefahren und hat zwei Waggone zertrümmert und aus dem Geleise geworfen. Die Lokomotive wurde nur wenig be­schädigt und konnte ihre Fahrt nach zweistündiger Verspätung fortsetzen. Menschenleben sind keine zu beklagen und kamen die Reisenden mit bloßem Schrecken davon."

Auf dieser neuen Strecke konn­te man also über Lowrin auch nach Arad gelangen. Allerdings be­nötigte man dazu an die fünf Stunden, wie aus einem alten Fahr­plan zu ersehen ist, aus dem auch hervorgeht, daß man von Hatzfeld aus, fünf Mal am Tage, nach Temeswar und zurück mit der Eisen­bahn fahren konnte, u.zw. mit Personenzügen, mit dem Expreß­zug und mit dem Schnellzug.

Lobend wurde auch die Einfüh­rung der Motorzüge auf der Hatzfelder-Lowriner Strecke als neue Fahrgelegenheit mit der Eisen­bahn hervorgehoben und bemerkt daß diese schneller fahren und in den einzelnen Stationen nur je ei­ne Minute stehenbleiben würden. Auch heute kommen sie noch hie und da zum Einsatz.

Interessanterweise hat man um diese Zeit auch noch andere Neu­erungen im Eisenbahnverkehr ein­geführt. So wurde z.B. ab 1. Mai 1926 eine IV. Wagenklasse einge­richtet, indem man die Lastwag­gons mit Sitzgelegenheiten ausge­stattet hatte. Der Fahrpreis für ei­ne Reise in dieser Wagenklasse kostete die Hälfte des Fahrpreises der III. Klasse. Noch im gleichen Jahr gibt die Eisenbahngeneraldi­rektion einen weiteren Beschluß bekannt, nämlich alle Personenwa­gen elektrisch zu beleuchten, d.h. mit elektrischen Lichtbirnen an­statt der laternenartigen Petro­leumlampen auszustatten: „Den Ölfunseln, die ja doch nicht" im­mer brennen, wird kein Passa­gier eine Träne nachweinen". (Zei­tungsbericht) Wenn der Bau der Hatzfeld-Lo­wriner Linie ohne größere Schwie­rigkeiten vonstatten ging, so war es mit dem neuerlichen Ausbau der sogenannten Torontaler Linie ganz anders bestellt. Wie bekannt wurde diese Bahnstrecke, die von Hatzfeld über Pardany, Modosch nach Großbetschkerek führte, im Jahre 1924 (bzw. schon 1919) außer Verkehr gesetzt, weil im Einver­nehmen der beiden Nachbarstaaten im Sinne einer Grenzregelung Hatz­feld an Rumänien, Pardany und Modosch an Jugoslawien kam. So­mit verlor unsere Gemeinde die Torontaler Linie, weil doch eine schmale Landzunge die erwähnte Bahnstrecke bei Klari (zwischen Ketscha - Hatzfeld) unterbrach und somit zehn Ortschaften auf unserer Seite den Anschluß ver­paßten. Der Verlust des Bahnver­kehrs wurde im allgemeinen von den Leuten der in Mitleidenschaft gezogenen Dörfer bedauert.

Trotz der Einwände und Bereit­schaft der interessierten Gemein­den, materielle Opfer zu bringen. geschah lange Zeit hindurch nichts auf dem 7 km, langen Stück Strec­ke der Linie Ketscha - Hatzfeld bis dann schließlich im Jahre 1926 die Temeswarer Eisenbahndirek­tion vonseiten des Ministeriums angewiesen wurde, einen Kosten­voranschlag für die nötigen Arbei­ten aufzustellen und „festzustellen, welches Metallmaterial zur Durch­führung dieser Arbeiten notwendig ist".

Auf Grund der erwähnten mi­nisteriellen Verfügung bezüglich des Ausbaus der fehlenden Eisen­bahnstrecke, hatte die Temeswa­rer Eisenbahngeneraldirektion eine Summe von 5 Mio Lei veran­schlagt, von welcher Summe gleich 1 860 000 Lei von den interessier­ten Gemeinden eingezahlt wurden. Für die Aufbringung der nötigen Gelder mußten sämtliche anliegenden Ortschaften ihren Beitrag lei­sten.

Dennoch kam das fehlende Stück Schienestranges der erwähn­ten Eisenbahnstrecke noch immer nicht zustande, so daß man schließ­lich auch noch erwog, „daß die Li­nie in ihrer ursprünglichen Form bei Klari über serbisches Hoheits­gebiet laufen" möge, womit die da­malige Regierung unseres Nach­barlandes angeblich auch einver­standen gewesen wäre. Wie immer, auch dieses Vorhaben kam nicht zustande. Man ließ dem Unwillen freien Lauf über den „Ausbau der Bahnlinie", über die „Bahnfrage" und fragte öffentlich: „Wann wird die Torontaler Bahnlinie ausge­baut?" „Jetzt lesen wir in den Temeswarer Blättern. daß sich auch die Interimskommission des Kormitates mit der Bahnangeleqenheit­ befaßt", hieß es in einer Zeitung aus dem Jahre 1929. Im Juni 1930 betrug der Kostenvoranschlag be­reits 5,2 Mio Lei, von welcher Summe schon 2,5 Mio. Lei einge­zahlt worden waren. Unter diesen Umständen war aber die Eisen­bahngeneraldirektion nicht gewillt mit dem Bau der fehlenden Bahnstrecke zu beginnen. So ging das eben hin und her. Sie forderte nämlich die gesamte Summe doch waren die Gemeinden außerstande zu bezahlen. So beschloß man denn auch noch eine Deputation zum Präfekten und dem Verkehrsmini­ster zu schicken. Im Dezember des gleichen Jahres war es allem An­schein nach soweit, daß man end­lich mit dem Ausbau der Anschlußlinie beginnen konnte. Aber selbst im Jahre 1932 hofften die Hatz­felder immer noch auf einen di­rekten Anschluß und die Zeitungs­schreiber unserer Lokalblätter drängten die Geleisemacher zum Schlippen- und Schienenlegen, zum entschlosseneren Handeln: „Die Hatzfeld-Johannisfelder Eisenbahn­linie muß ausgebaut werden" (!), bis dann zuguterletzt noch im qlei­chen Jahr die Würfel letztendlich fielen und der Anschluß von Ket­scha nach Gertjanosch im, April des gleichen Jahres in Angriff ge­nommen wurde. Nichtsdestoweni­ger ist es auch zu verstehen, daß unsere Leute ob dieser Entschei­dung in den Lokalblättern zu lesen bekamen: „Einsargung der Hatzfeld­-Johannisfelder Eisenbahnlinie" oder „Das Spiel ist aus. Hatzfeld hat verloren". Mit dem Bau der fälligen und strittigen Anschlußlinie wurde also doch noch begonnen. Die Leitung der Arbeiten hatte Ing. Ladislaus Indig inne. Im Jahre 1934 war die Anschlußstrecke fertiggestellt und konnte dem Verkehr übergeben werden. Nach rund 15 Jahren, die oft mit vielen Mühen und Sorgen um die Bereitstellung dieser Ver­kehrslinie verbunden waren, war es dann endlich soweit. Man konn­te wieder mit der Eisenbahn von und nach Johannisfeld fahren, allerdings über Gertjanosch mit Um­steigmöglichkeiten in zwei Rich­tungen: nach Hatzfeld und nach Temeswar.



PDF-Datei des Artikels


___


  1. (das wären am 15. November 1982 genau 125 Jahre).
  2. Die sog. „Kohlenbahn" (Oratwitza-­Jam-Basiasch) wurde schon 1854 in Betrieb genommen, diente aber damals nur dem Kohlentransport.