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Stefan Jäger, der Maler der Banater Schwaben und aller Donauschwaben

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0351
Autor Name: Prof. Dr. Anton Scherer
Titel des Artikels : Stefan Jäger, der Maler der Banater Schwaben und aller Donauschwaben
Publikation: Kalender
Titel der Publikation: Donauschwaben-Kalender
Erscheinungsort: Aalen
Jahr: 1989
Seite: 109–112
* [[Prof. Dr. Anton Scherer]]: [[ART:0351 - Stefan Jäger, der Maler der Banater Schwaben und aller Donauschwaben|<i>Stefan Jäger, der Maler der Banater Schwaben und aller Donauschwaben</i>]]. Donauschwaben-Kalender, Aalen 1989
Kalender
Kirchweihpaare in Sackelhausen, rum. Banat, im Jahre 1972. (Einsender des Photos: Georg Kurzhals, Hölderlinstr. 2, 7530 Pforzheim)

Über den Maler des Banater Volkslebens, Stefan Jäger aus Hatzfeld, ist schon viel geschrieben worden. Mindestens sieben Aufsätze veröffentlichte Franz Liebhard (auch Johann Wanderer, eigentlich Robert Reiter), dann kennen wir Ansätze zu einer Bio- und Monographie von Peter Pink, zwei Aufsätze von Hans-Karl Groß, Aufsätze und ein Buch (Stefan Jäger, Bukarest 1972) von Annemarie Podlipny-Hehn und das „Kleine NBZ-Jäger-Album“ in der „Neuen Banater Zeitung“ vom 14. September 1969 bis 13. Juni 1970, die deutschsprachige Sendung im Bukarester Fernsehen vom 26. Mai 1977, in der Franz Liebhard den Kronzeugen Georg Bohmann aus Blumenthal befragte, mein eigener Aufsatz in den „Südostdeutschen Vierteljahresblättern“ u. a. mehr. Alle diese Würdigungen und Bildnachweise gehen von dem aus, was man an Gemälden, Zeichnungen, Skizzen im rumänischen Banat noch feststellen konnte, was sich dort in Privatbesitz befindet oder im Jäger-Museum in Hatzfeld, das ich mir angesehen habe, ausgestellt ist. Von Interesse wäre es, auch jene Bilder kennen zu lernen, die nicht im rumänischen Banat verblieben sind. Für mich war überraschend eine Aussage Stefan Jägers, der in seiner kurzgefassten Selbstbiographie mitteilt, die meisten seiner Auftraggeber seien aus der (jugoslawischen) Batschka gewesen. Nun, Hatzfeld war ja ursprünglich jugoslawisch, bevor es gegen Modosch (später Jaša Tomić) ausgetauscht wurde. Dass die Donauschwaben in Jugoslawien Stefan Jäger schätzten, geht aus der Tatsache hervor, dass zu Lebzeiten Jägers, nach den Ausführungen von Annemarie Podlipny-Hehn, nur eine einzige Personal-Ausstellung veranstaltet wurde, und zwar nicht etwa im rumänischen Banat, sondern 1930 in Groß-Betschkerek, also im jugoslawischen Banat, zu einer Zeit, als Hatzfeld längst schon zu Rumänien gehörte und Jäger rumänischer Staatsbürger war. In dieser Ausstellung wurden ausschließlich Bilder aus Privatbesitz gezeigt. Das heißt, es muss doch eine ausreichende Anzahl von Bildern Jägers in Jugoslawien vorhanden gewesen sein. Jäger schreibt auch, dass zu seinen Auftraggebern der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund (in Jugoslawien) gehört habe. Dieser hatte seinen Sitz in Neusatz in der Batschka. Nun, ich war zu jener Zeit ein Kind, und dass es Jäger-Bilder in der Batschka gegeben hat, ist mir neu, aber ob ein einziges dieser Bilder von Donauschwaben bei der Flucht mitgenommen wurde, ist fraglich. Jedenfalls wäre es von Interesse, darüber etwas zu erfahren. Vielleicht können sich ältere Leute noch erinnern. Auf alle Fälle ist das „Kleine NBZ-Jäger-Album“ unvollständig. Für Bilder von Jäger interessierten sich auch Serben. So war ein serbischer Abgeordneter aus Kikinda Besitzer von Bildern dieses Künstlers. Sein Sohn bot sie in Salzburg zum Kaufe an. Etwas davon ist im Hohenzollerischen gelandet, ein Bild wurde für das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen angekauft. Es stellt ein Weizenfeld dar. Über die näheren Umstände des Ankaufs herrscht einige Unklarheit.
Von Jäger brachte laut Podlipny-Hehn das „Neuland“ in Salzburg Reproduktionen heraus. Angeblich wurde dabei das Urheberrecht verletzt; Jäger soll von diesen Reproduktionen laut Annamarie Podlipny-Hehn überhaupt nichts erhalten haben. Peter Binder, Inhaber des Pannoniaverlages, teilte mir brieflich mit, von der Behauptung von A. Podlipny-Hehn nichts gewusst zu haben. Er habe zwar nicht Jäger, wohl aber einer im Westen lebenden Verwandten des Malers ein ordentliches Honorar bezahlt. Und dem Maler, der unverheiratet war, ging es schlecht. Sehr schlecht sogar. Erst als er 80 Jahre alt geworden war, 1957, erhielt er eine Ehrenpension in Höhe von 800 Lei monatlich. Er ist am 16. März 1962 gestorben.
Und jetzt noch einige biographische Angaben über Stefan Jäger, den populärsten donauschwäbischen Maler überhaupt:
Sein Großvater war Kaufmann in Nakodorf und starb im Alter von 76 Jahren. 1833 hatte er als Witwer im Alter von 52 Jahren die ledige, um fast 30 Jahre jüngere Elisabeth Waldner geheiratet. Dieser Ehe entsprossen vier Kinder, darunter Franz (1839), der Vater des späteren Malers Stefan Jäger. Franz wurde in Budapest zum Feldscher ausgebildet. Er ließ sich in Tschene nieder und heiratete die Tochter des Notars Wagner aus Klein-Jetscha und nach deren Tod die um sechzehn Jahre jüngere M. Schuller aus Billed. Sie war ein Adoptivkind und arm. Dieser Ehe entsprossen zwei Kinder: der jüngere war Stefan, geb. am 28. Mai 1877 in Tschene in der Nähe von Hatzfeld. Dort gab es eine serbische und eine deutsch-katholische Schule. Die letztere besuchte Stefan. Starken Eindruck machte auf den Knaben die Riedlandschaft an der alten Bega. In Temeswar gab es noch eine private deutsche Bürgerschule mit deutscher Unterrichtssprache, die ihren Namen nach ihrem Besitzer, einem gewissen Wieszner, trug. In diese wurde Stefan geschickt. Die sechsjährige Bürgerschule schließt er dann in Segedin (Szeged) ab. Sein schon damals offenkundiges Zeichentalent wird von seinem „Kunstlehrer“, dem Fachlehrer Obendorf, gefördert und gelenkt. Ab 1895 ist Stefan Jäger Kunststudent in Budapest. Als solcher mittellos. Er muss kein Schulgeld zahlen und ist Erzieher bei der gräflichen Familie Széchy. Seine Lehrer an der Modellzeichenschule und an der Zeichenlehrer-Bildungsanstalt sind Professor Ede Balló und Bertalan Székely, 1899 schließt er das Studium ab und unternimmt Studienreisen nach Österreich, Deutschland und Italien, 1901 unterbricht er seine Reisen wegen der Erkrankung seines Vaters und kehrt nach Tschene zurück. Im gleichen Jahr stirbt der Vater. 1902 ist Jäger wieder in Budapest, als freischaffender Künstler. Auf Bestellung malt er bis 1906 viele Landschaftsbilder, Stilleben und Idyllen. Davon ist so gut wie nichts erhalten oder bekannt. Er malt auch Heiligenbilder. Und nun erhält er einen Auftrag, der ihn unter den Schwaben berühmt machen sollte: das bekannte dreiteilige Bild „Die Ansiedlung der Deutschen im Banat“. Auch dies hatte eine Vorgeschichte und eine (verschollene) Erstfassung. Die Anregung kam von Jakob Knopf, Buchhalter an der Ersten Gyertyámoser Sparkasse. Den Auftrag für dieses Bild gab aber der Gründer und Besitzer dieser Sparkasse, Adam Röser. Die erste Fassung des Bildes war drei Meter lang und kam in den Besitz Rösers. Sie ist verschollen. Die Einwände gegen dieses Bild: die Trachten stammten aus der Gegenwart, waren also historisch nicht treu. Nun wurde eine Sammelaktion gestartet, um Jäger eine Studienreise nach Deutschland zu ermöglichen. Sie brachte 4 560 Kronen ein. 1906 tritt Jäger die Reise an, die ihn nach Stuttgart, Ulm, Nürnberg führt. Er betreibt Trachtenstudien für das Einwanderungsbild. Von 1906 bis 1910 arbeitet er an diesem, teils in Hatzfeld, teils in Budapest. Es ist 5,1 m lang und 1,45 m hoch. Im Frühjahr 1910 wird das Bild feierlich enthüllt, und zwar im Rahmen der Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung in Gyertyámos(Gertianosch). Die Enthüllungsrede hielt der Abt-Domherr Franz Blaskovics (Vgl. hierzu: Stefan Dold: Die Einwanderung und Ansiedlung der Deutschen in Südungarn. Danach hieß das Bild bei seiner Enthüllung: „Die Einwanderung der Deutschen nach Ungarn“.) Da Röser infolge von Fehlspekulationen verarmte, sah er sich gezwungen, das Bild zu verkaufen. Die Stadt Temeswar zahlte ihm dafür 2000 Kronen. Die Hälfte dieser Summe bekam der Maler. Schon vorher hatte Röser Reproduktionen herstellen und vertreiben lassen. Vom Erlös derselben erhielt [[Stefan Jäger|Jäger nichts. Bürgermeister Telbisz ließ es im „Südungarischen Geschichtsverein“ (Délmagyarországi Történelmi …) unterbringen, wo auch die aus den Jahren 1859/60 stammenden „Ethnographischen-topographischen Beschreibungen“ vieler donauschwäbischer Ortschaften bis 1918 aufbewahrt waren, unter Bürgermeister Geml wurde es in stadteigene Räumlichkeiten überstellt. 1941 gelingt es der Deutschen Volksgruppe, in den Besitz des Einwanderungsbildes zu gelangen: sie erhält es gegen zwei Bilder Popescus, an denen der rumänische Bürgermeister mehr interessiert war als am Einwanderungsbild. Diese Popescu-Bilder stammten aus dem Nachlass des Banater Kulturhistorikers Franz Wettel. Im Rahmen der 225-Jahrfeier der Befreiung Temeswars wurde das Einwanderungsbild im sogenannten Scherter-Haus ausgestellt, wo es bis 1944 verblieb. Und wo ist es heute? Im Städtischen Museum. Der Tausch der Popescu-Bilder aus dem Wettel-Nachlass gegen das Einwanderungsbild Jägers wird in keiner der in Rumänien erschienenen Jäger-Abhandlungen erwähnt. Zeitzeugen sollten auch über das Schicksal von Wettels Büchersammlung (einer einmaligen Banatica-Bücherei) berichten. Nach Christ N. Herr, einem Blumenthaler, mit dem ich 1965 in Chicago darüber sprach, soll ein Teil von unkundigen Händen verheizt, ein anderer Teil von Personen gerettet worden sein, denen es um die Bücher leid getan habe. Aber C. N. Herr verließ sich 1965 auch nur auf unüberprüfbare Gerüchte.
Und das weiter Schicksal des Einwanderungsbildes? Im Jahre 1944 wurde es in Blumenthal (Mașloc) untergebracht, im Haus eines Blumenthalers der in den USA lebte. Dort waren nach Aussagen von Georg Bohmann, eines Blumenthalers, den Franz Liebhard für das rumänische Fernsehen befragt hatte, auch volkskundliche Sammlungen untergebracht worden. Zeitweise war Peter Barth, der Banater Dichter, dort Bibliothekar. (Barth sandte mir einige Jahre darauf über einen seiner in Graz lebenden Verwandten namens Bauer unveröffentlichte Gedichte.) Bohmann sah sich das zusammengerollte aufbewahrte Bild Jägers selbst an, weil er, wie er angab, neugierig war. Als Kolonisten das Haus des „Amerikaners“ bereits bewohnt hatten, kamen eines Tages die zwei Bohmann-Buben zum Vater und baten ihn um zwei Liter Rotwein. Damit kauften sie von zwei Kolonisten-Jungen ein „sehr großes und sehr schönes Bild“ ab, das Einwanderungsbild. Da der Mais noch nicht gebrochen und der Kukurutz-Hambar leer war, entrollten die Bohmann-Jungen das Bild und stellten es für sich aus. Von Blumenthalkam das Bild ins Banater Museum, wo es aus „politischen Gründen“ über ein Jahrzehnt im Keller aufbewahrt wurde. 1969 – ich weilte in jenem Jahr mit der Internationalen Lenau-Gesellschaft in Temeswar – forderte der damalige Vorsitzende des Kreisrates Timiş (Temesch) der Deutschen Werktätigen, Nikolaus Berwanger, das Bild für das Stefan-Jäger-Haus an, wo es seither im Blickpunkt der Ausstellungsstücke steht.
Schon 1910 hatte sich Jäger in Hatzfeld niedergelassen und blieb dort bis zu seinem Tode. Von 1910 bis 1914 malte er auf Bestellung Bilder mit Motiven aus dem donauschwäbischen Volksleben und der Landschaft. Von 1914 bis 1918 war er als Landsturmmann an der Front. 1918: Heimkehr nach Hatzfeld. Er führte ein zurückgezogenes Leben und lebte bescheiden vom Verkauf seiner Bilder. Die Glanzzeit seiner Heimatkunst fällt in die Jahre 1930 bis 1940.
In seiner handgeschriebenen Biographie vom 5. November 1953 nennt er sein Triptychon, in dem die Einwanderinnen in hessische und Schwarzwälder Tracht gekleidet sind, „Einwanderung der Deutschen im Südosten“. Vorherige Bezeichnung „...im Banat“. Offenbar will Jäger sein Bild auf einen größeren Raum, auf alle Donauschwaben, bezogen wissen. An die Einwanderung der Siebenbürger Sachsen hat Jäger auf keinen Fall gedacht, denn da hätte nicht einmal die Tracht gestimmt. Und da er ausdrücklich darauf hinweist, dass die meisten seiner Auftraggeber aus der Batschka kamen, will er mit dieser bewussten Ausweitung vom Banat auf den ganzen Südosten – durchaus im Sinne der früheren Bezeichnung „Ungarn“ (vor 1918) –, der Maler aller Donauschwaben sein, auch wenn ihm dieser Name nicht geläufig ist. Dass ihm keine einzige Ausstellung zu Lebzeiten in Rumänien gewidmet worden ist, nicht einmal zu Zeiten der Deutschen Volksgruppe, dürfte ihn bedrückt haben. Dagegen kaufte die Deutsche Volksgruppe im Serbischen Banat eine größere Anzahl von Jäger-Bildern in Hatzfeld an. Erst fünf Jahre nach seinem Tode fand eine Gedächtnisausstellung im Banater Museum zu Temeswar statt, 1969 wurde in seinem ehemaligen Atelier in Hatzfeld eine Stefan-Jäger-Gedenkausstellung gegründet und eröffnet.
Jäger hatte keinen anderen Brotberuf. Er lebte von der Kunst, einer „brotlosen“ Kunst. Und lebte entsagungsvoll. Damit nimmt er unter den zeitgenössischen donauschwäbischen Künstlern eine Sonderstellung ein. Dass er zur Idylle neigte, dürfte ein Zugeständnis an den Geschmack seiner Auftraggeber gewesen sein. Es ist die Welt von gestern, die er gemalt hat. Eine liebenswerte Welt, auch wenn sie nicht mehr besteht.

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