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Stefan Jäger und seine Bedeutung für uns

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Bibliografie
Artikel Nummer: 0531
Autor Name: Karl-Hans Gross
Titel des Artikels : Stefan Jäger und seine Bedeutung für uns
Untertitel des Artikels: 28. Mai, der 120. Geburtstag Stefan Jäger
Publikation: Zeitung
Titel der Publikation: Observator de Jimbolia
Reihe: Deutsche Ecke
Erscheinungsort: Hatzfeld
Jahrgang: 3
Nummer: 21 (120)
Datum: 30.05.-05.06.1997
Seite: 8
* [[Karl-Hans Gross]]: [[ART:0531 - Stefan Jäger und seine Bedeutung für uns|<i>Stefan Jäger und seine Bedeutung für uns</i>. 28. Mai, der 120. Geburtstag Stefan Jäger]]. Observator de Jimbolia, Hatzfeld 30.05.-05.06.1997 (Jg.3 Nr.21 (120)), S. 8

28. Mai, der 120. Geburtstag Stefan Jäger

Mit der Errichtung und Erneuerung der Gedenkstätte wurde (nicht nur allein) Stefan Jäger eine gebührende Ehrung und Anerkennung zuteil!

Obwohl der Maler kein gebürtiger Hatzfelder war (er wurde im nahem Tschene geboren, 1877), ist sein Name dennoch mit dem der als Heidestädtchen bekannt gewordenen Ortschaft aufs engste verbunden. Diese Bezugnahme wird nicht allein durch die Tatsache, wonach Jäger im Jahre 1910 Hatzfeld als Wahlheimat angenommen hatte, begründet, sondern sie wird gewissermaßen und vielmehr von seinem unermüdlichen, ununterbrochenen malerischen Wirken in dieser Ortschaft bestimmt. Über die Jahrzehnte hinweg, genau genommen 52 Jahre (bis an sein Lebensende 1962) hatte der Meister seine künstlerische Tätigkeit in diesem wirtschaftlich und kulturell geprägten schwäbischen Umfeld entfaltet und daselbst das Apogäum seiner Kunst erlebt.
Diese Kunst ist in ihrer Thematik und Ausführung fast ausnahmslos auf das schwäbische Dorf orientiert. Dabei denke ich nicht allein an den Hatzfelder "Heede-Eck" darunter verstehe ich die im Umkreis des Heidestädtchens liegenden schwäbischen Dörfer und Fluren der (grenzenfreien und später geteilten) Banater Heide, die wirtschaftlich und kulturell mit Jägers Wahlheimat recht eng verflochten waren - sondern gleichermaßen an die schmucken Schwabendörfer des gesamten donauschwäbischen Siedlungsraumes. Und das um so mehr, weil seine Bilder - ob in Öl, Aquarell, in Mischtechnik u. a. ausgeführt - die konkreten Geschehnisse des bäuerlichen Lebens widerspiegeln, so wie es sich in den schwäbischen Dörfern der Heide, der Hecke, in der Batschau oder sonstwo im unteren Donauraum abgespielt hat.
Jäger-Bilder sind schön und bei unseren Landsleuten sehr beliebt. Aber wo liegt die Bedeutung Stefan Jägers für uns? Diese Frage zu beantworten, fällt nicht schwer, weil doch sein Werk die eindeutige Antwort darauf gibt.
Wie bekannt wird das große Beginnen Jägers, sein Durchbruch, vom Einwanderungsbild markiert. Es ist ein geradezu inhaltsbestimmender Aufbruch mit dem der Maler sich den sicheren Weg zu seiner Kunst gebahnt hat. Einer Kunst, die sich zwar an der künstlerischen Gestaltung wenig komplizierter Themen des Alltags und der Feste seiner Landsleute ausrichtet, die aber im Stil konsequent geblieben ist. An dieser Arbeit wächst die Begabung und mit ihr sein Werk, das sich mit seinen ungezählten Originalen, Repliken und Varianten zu einem klaren, unmißverständlichen Credo, zu seinen Menschen und deren Umfeld - wenn Sie so wollen: zur Heimat - bekennt.
Dieses imposante Werk dürfte am meisten bekannt sein. Auf einer Malfläche von siebeneinhalb Quadratmetern stellt es die Besiedlung im triptychonalen Aufbau, als "Wanderung“, "Rast“ und „Ankunft", dar. Dabei integrieren die drei Bilder inhaltlich mit der kompositionellen Verwirklichung zu einem einheitlichen Ganzen, dessen Szenerie im gleichen Raumfeld, der neue Heimat spielt. Dennoch spannt der Künstler einen geistigen Bogen über die geographischen Weiten hinweg, bis hin zu den Herkunftsgebieten der schwäbischen Siedler. Diese dimensionalen Weiten werden durch die dargestellten Menschengruppen überbrückt, indem sie der Künstler mit den originalgetreuen Trachten bekleidet, die auf die württembergischen, badischen, hessischen elsässischen, pfälzischen, schwarzwäldischen und westfälischen Aussiedlungsgebiete vieler Ahnen verweisen. Fürwahr, eine großartige, einmalige Komposition, die nicht allein durch ihre Monumentalität, sondern auch durch die Künstlerische Aussage aus eindringlichste besticht. Damit wären wir bei der volksgeschichtlichen Bedeutung des Triptychons angelangt, das mit seiner historischen Aussage die Siedlungsgeschichte unserer Ahnen veranschaulicht und als bildhafte Chronik der Schwaben angesehen werden kann. Es ist ein historisches Malwerk, das durch seine allumfassende Thematik, seine allgemeingültige Problematik, in typischer naturgetreuer und artistischer Weise die Schicksalsgang der Siedlerahnen wiedergibt, gleichwohl ob sie in die Batschau, nach Syrmien, in die Schwäbische Türkei oder ins Banat gekommen sind. Demzufolge stellt es insgeheim und in gleicher Weise die Ansiedlung der Schwaben im 18. und 19. Jahrhundert im "unteren" Donauraume dar und kann somit als Schicksalsbild (Gemälde) aller Donauschwaben angenommen werden.
Über den als Schwabenmaler bekannt gewordenen Stefan Jäger wurde schon viel geschrieben. Auch ich habe es getan. Trotz dieser Bemühungen um diesen für uns bedeutenden Maler bleiben immer noch "weite Räume" seines immensen Werkes zu "beschreiten", da viele seiner Arbeiten bereits heute in aller Welt verstreut und demzufolge schwer zugänglich geworden oder gar unbekannt und verschollen geblieben sind. Damit im Zusammenhang sei nur an die "ursprüngliche" Fassung des Einwanderungsbildes, an das Aquarelltriptychon "Der Schwaben Kulturarbeit" u.a.m. erinnert, die sich solcherart für immer unserm geistigen Zugriff entziehen. Nichtsdestoweniger sind es aber auch die Skizzen und Studien, die nicht nur einen künstlerischen, sondern auch eine ethnographischen Wert haben, weil sie und an den Ort des Geschehens - von Hatzfeld nach Lenauheim, Ostern, Gertjanosch, Lowrin, Billed, Sackelhausen, Blumenthal, Engelsbrunn, Guttenbrunn, Wiesenhaid, Bakowa, Nitzkydorf oder nach Zerne, Heufeld, Neusatz, Paraputy usw. usf. - führen. Sie wiedergeben Szenen des augenblicklichen Geschehens unverfälscht und wahr, so wie sie sich vor den Augen des Künstlers abgespielt haben. Mit nur wenigen Pinselstrichen und Farbe aufrecht kleinen Papierstücken entstanden, waren sie die konkreten Vorlagen zu hunderten Gemälden und Aquarellen, die so sehr beliebt sind: Die erste Furche, Heimkehr vom Feld, Im Schnitt, Schnitter und Schnitterin, Die Garbenbinderin, Weizenflur, [[WK:0526|An der Kehre, Kirchweihfest, Vorstraußtänzerin, Der Ehrentanz, In der Kirche, Kindtaufe, Erstkommunion, Fronleichnam usf. Es ist nicht angetan, sich weiter auf diesem Trip zu ergehen, weil doch der Rahmen dieser Arbeit vorgegeben ist. Wer aber Jägers Arbeiten kennt, weiß, daß man dem Meister und seinem Werk solcherart ein absolutes Wertmaß setzen kann.
Jäger ist Zeitgenosse jener Dorfleute (von gestern) die ihren Unterhalt und ihr Fortkommen ausschließlich der Arbeit auf dem Felde verdanken, wo alles Tun noch dem Boden, im engeren Sinne der Eigenwirtschaft, galt. Das Lebensideal dieser Menschen auf dem Dorfe war die Arbeit. Jägers "Feldbilder" widerspiegeln dieses "Hohelied der Arbeit" und den Abdruck einer Zeit, die es zwar schon nicht mehr gibt, die aber wahr und unleugbar in den Jäger-Bildern erhalten geblieben ist. So ist es auch mit der Malarbeiten, die die frohen Feste, die Sitten und Bräuche und den Alltag zum Gegenstand haben. Ihre große Bedeutung besteht gerade darin, daß mit den dargestellten Trachten, der Wiedergabe von gewissen dörflichen Geschehen Vorkommnisse bewahrt bleiben, die man heute kaum noch kennt. So hat denn Jäger dem schwäbischen Alltag und den Festen Dauer verliehen und seinen Menschen die Lebens- und Arbeitsfreude bewahrt. Auch jenes Umfeld, in dem die Mundart noch ein lebendiger Bestandteil des Dasein war. Denn Jäger hat sie in seine Malerei mit einbezogen: die "Ferter", das "Hinnerumstichel", das "Menzika" und "Fitzko", die "Silwerknepp am Leiwel", die "Schlutt", die "Bux", die "Gatjer" usf., mit denen die schwäbischen Frauen und Männer bekleidet sind. Ja, die "Motterschprooch", sie ist schon immer seltener zu hören; wenngleich es auch die Donauschwaben noch gibt (obwohl sie wie die Jäger-Bilder heute weitverstreut sind) und auch noch lange geben wird.
Wir, von hier, haben zurück in die Heimat unserer Ahnen gefunden, die nun auch unsere ist. Das wollten wir. Dazu stehen wir. Dennoch wird jeder seien Identitätsbezogenheit im Herzen tragen, so er noch etwas für die Jäger-Bilder empfindet (sie noch liebt). Denn - und damit darf ich mich an dieser Stelle wiederholen - Stefan Jäger malte seine Bilder mit seiner Seele in unser aller Herzen und unser aller Sinn. Sein umfassendes Werk widerspiegelt unsere Seele, unser Wesen, unser Werden und Sein. So leben durch ihn seine Bilder und wir durch ihn in seinen Bildern und durch die Bilder lebt er in uns fort - der Schwabenmaler Stefan Jäger.

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