Das ethnographische Element in der Malerei der Banater Schwaben
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0219 |
Autor Name: | Annemarie Podlipny-Hehn |
Titel des Artikels : | Das ethnographische Element in der Malerei der Banater Schwaben |
Publikation: | Zeitschrift |
Titel der Publikation: | Volk und Kultur |
Jahr: | 1980 |
Jahrgang: | 32 |
Heft: | 6 und 7 |
Seite: | 16-18; 17-19 und 33; |
* [[Annemarie Podlipny-Hehn]]: [[ART:0219 - Das ethnographische Element in der Malerei der Banater Schwaben|<i>Das ethnographische Element in der Malerei der Banater Schwaben</i>]]. Volk und Kultur 1980 (Jg.32 Heft6 und 7), S. 16-18; 17-19 und 33; |
Obwohl es schon im 19. Jahrhundert zahlreiche Dokumente, Studien und Ortsmonographien gab, die volkskundliche Elemente enthalten, ist uns aus jener Zeit wenig authentisches Bildmaterial erhalten geblieben. Der Beginn einer plastischen Auseinandersetzung mit der Banater schwäbischen Volkskunst reicht in das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts zurück. Das „Einwanderungsbild“ sollte eine entscheidende Wende nicht nur im Leben seines Schöpfers, sondern auch in der schwäbischen Malerei bedeuten. Das Bild entstand nicht aus individuellem Antrieb des Künstlers, vielmehr ging die Initiative vom Bewusstsein der Gemeinschaft aus. Das Banater Schwabentum hat sich dadurch seinen Maler erkoren.
Im Jahre 1906 bestellte die Großgemeinde Gertjanosch ein Gemälde zum Thema „Die Ansiedlung der Deutschen im Südosten“, das Stefan Jäger ausführen sollte. Der junge Absolvent der Budapester Akademie, der sich als Kunstmaler in seiner Heimat keine Existenz gründen konnte, weilte seit 1902 in Budapest und arbeitete notgedrungen für Kunsthändler. Dieser erste große Auftrag aus der Heimat sollte Stefan Jäger nun zum Schwabenmaler werden lassen. Er fertigte in Budapest nach den wohlbekannten Regeln der Kompositions- und Porträtkunst, ein drei Meter langes Bild an. In seinem ersten Eifer war ihm ein Anachronismus unterlaufen: auf dem Gemälde hatte er nicht die Siedlungstracht der Vorfahren dargestellt. Daher verlangte die Gemeinde ein weiteres Bild und startete eine zweite Sammelaktion. Der Maler sollte 1906 eine Studienreise unternehmen, um die Trachten der Ahnen aus den verschiedenen Siedlungslandschaften zu studieren Aus dieser Zeit stammen die ersten Trachtenskizzen Stefan Jägers. Wie ist nun die Einwanderungstracht bei Stefan Jäger festgehalten?
Auf dem Einwanderungsbild sind die Männer in bunten Westen dargestellt, darüber tragen sie einen meist blauen, rotbraunen oder grauen, wadenlangen Stoff- oder Leinenrock. Die knielangen Stoff- oder Leinwandhosen werden zu hohen, weißen oder farbigen Strümpfen getragen. Das Männerfußzeug ist der Schnallenschuh. In seinen späteren Skizzen hat Jäger vorwiegend die Schlappen dargestellt, zum Beispiel in: „Er hat sich Schlappen gekauft“, „In der Reih' — Schlappen ausziehen“, während sie in der Skizze „Guttenbrunn 1907. 8/9“ sogar gesondert erscheinen. Die Hüte der Männer sind breit. Daneben gab es noch den Zweispitz oder Dreispitz, wie ihn Jägers Skizze „Mein Hut der hat drei Ecke“ festgehalten hat.
Die Frauentrachten sind auf dem „Einwanderungsbild“ besonders bunt und nach den Herkunftslandschaften verschieden. Man trägt kurze, bis übers Knie reichende bunte Stoffkittel, darüber eine Schürze, weiße Hemden mit Miederleibchen oder Ärmeljoppen, ein buntes Tuch um den Hals gebunden. Als Kopfbedeckung dienen bunte Hauben. Die Haartracht ist gescheitelt, die Zöpfe werden im Nacken zu Knoten gewunden oder um den Kopf geschlungen. Zu den bunten Strümpfen tragen auch die Frauen Schnallenschuhe, im Haus jedoch gehäkelte Patschen oder Samtschlappen, wie sie Jäger bereits 1907 in Guttenbrunn skizzierte. Auf demselben Blatt ist auch der festgeflochtene Wasserzopf zu sehen, der über den Kopf gelegt und mit einem Kamm befestigt, sich bald nach der Einwanderung ins Banat als typische Frauenhaartracht durchsetzt.
Zum Thema Einwanderung hat Stefan Jäger nicht nur zahlreiche Trachtenstudien und Skizzen angefertigt, sondern auch viele Kompositionsskizzen über verschiedene Stationen der Ansiedlung geschaffen, so das „Ulmer Gänsetor“, „Einwandererkolonne am Donaustrand“, "Ulmer Schachteln“, „Die Anschiffung“ und viele andere, in denen neben den Trachten aus Baden-Württemberg, Elsass-Lothringen, aus dem Schwarzwald und aus der Lahngegend, auch die Trachten der einheimischen Rumänen und Serben mit besonderer Detailtreue festgehalten sind.
Das „Einwanderungsbild“, das 1910 innerhalb der Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung in Gertjanosch feierlich enthüllt wurde, wirkte sich auch auf die Banater Malerei aus. Zwei Jahrzehnte danach schuf der Maler Franz Ferch sein Triptychon „Das Gebet der Ahnen“ und das Gemälde „Das Lagerfeuer“. Das Triptychon ist der Gründung der Gemeinde Bogarosch gewidmet. „Das Lagerfeuer“, auch als „Die Wacht“ oder als „Einwanderungsbild“ bekannt (im Lenaulyzeum ausgestellt), zeigt uns die Ankunft der Siedler im Südbanat. Die Trachten sind dieselben wie in Jägers Werk, das Ferch als Vorlage gedient hat. Während Stefan Jäger sich auf die Komposition des figurenreichen Bildes (80 Personen) konzentriert und Detailtreue bewahrt, geht es Ferch in seinen Bildern mehr um die von einer romantischen Landschaft ausgelöste Stimmung.
Haus und Hof
Nach der künstlerischen Gestaltung der Einwanderung galt es, die Etappen der schwäbischen Rode- und Aufbauarbeit in der neuen Heimat plastisch darzustellen. Jäger schuf nun aus eigenem Antrieb „Des Schwaben Kulturarbeit“, ein Pendantstück zu seinem ersten großen Werk, ebenfalls als Triptychon aufgefasst, sowie zahlreiche Bleistift- und Tuschzeichnungen, die das erste Ackern darstellen.
Franz Ferch wählte ebenfalls dieses Motiv als Zentralthema seiner Schaffensperiode 1930 - 1937, so in den Gemälden „Der Siedler“ und „Der Pflüger“, wo symbolhafte Bauerngestalten den Boden ihrer neuen Heimat urbar machen.
Das Kolonistenhaus, als erstes Zeichen der Zivilisation, ist in Ferchs Bildern weit in den Hintergrund gerückt, es dient der Gestalt eher als Attribut. Bei Stefan Jäger hingegen wird dem Siedlerhaus größte Aufmerksamkeit gewidmet; seine Skizzen (z.B. „Altes Haus aus der Ansiedlungszeit in Ostern“) und Gemälde unterstreichen alle Einzelheiten. Schon im dritten Teil des „Einwanderungsbildes“ steht es halbfertig da: ein aus Erde gestampftes, acht Klafter langes, drei Klafter breites und acht Schuh hohes, dürftiges Häuschen. Es ist mit Rohr gedeckt und hat einen Brettergiebel zur Gassenfront, was auch aus Jägers Aquarellen ersichtlich ist. Zahlreicher sind die Skizzen mit schwäbischen Bauernhäusern aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Auf Jägers Bildern sind es spitz- und barockgiebelige, reichlich ornamentierte, jedoch aus Kotziegeln, errichtete Häuser, die nach der Längsseite des Hofes ausgerichtet sind. Bedeutend größer als das Kolonistenhaus, haben sie zwei Gassenfenster und eine Gassentür um Hauseingang. Diesen Häusern konnte der Maler noch zu seinen Lebzeiten an den Randvierteln der Dörfer begegnen, denn in der Dorfmitte hatte der Wohlstand bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Rohrdach und Kotziegel verdrängt. Es entstanden moderne Bauernhäuser aus gebrannten Ziegeln und Dachziegeln, sowohl spitzgiebelig als auch [[WK:1547|Zwerchhäuser mit trockenen Einfahrten und einer reichbeladenen Giebelornamentik. Diesem Häusertyp begegnen wir bei Jäger selten. Ferch wandte sich sogar entschieden gegen diese protzige Giebelverzierung.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich zusammen mit einer pompösen Bauernarchitektur auch die Wandmalerei auf den breiten Hausgängen.
Fälschlicherweise wird sie oft als volkstümlich angesehen. Diese oft kitschige Malerei wurde von Zimmermalern in Tempera oder Ölfarben, durchwegs nach Ansichtskarten kopiert und vergrößert. Die Szenen zeigen meist fremdländische Ansichten mit Schlössern, Parkanlagen, Märchenlandschaften, Jagdgeschehen usw., und haben mit dem Leben der schwäbischen Bauern nichts gemein, besitzen auch keinen künstlerischen Wert. Vielmehr sind sie bloß kostspieliger Ausdruck des Reichtums, der Überheblichkeit und Prunksucht wohlhabender Bauern.
Franz Ferch verwendet mit Vorliebe einfache Barockgiebel, die er sowohl als Symbol in seine Thematik aufnimmt, als auch zu dekorativen Zwecken in seine Bildkompositionen einflicht. Die Barockperiode kann als Blütezeit der Banater volkstümlichen Architektur angesehen werden. Diese Giebelform ist durch schlichten Schönheitssinn, gesunden Geschmack und Ausgeglichenheit der Form gekennzeichnet und demzufolge als eines der beliebtesten formalen Motive der Banater Hochkunst anzutreffen.
Die dekorativen Valenzen, der weitgehend stilisierte Aspekt der Volkstracht und Volksarchitektur werden auch von den jüngeren Künstlern Hildegard Fackner-Kremper und Walter Andreas Kirchner mit Erfolg genutzt, z.B. in den Grafiken von Hildegard Fackner-Kremper, die dem schwäbischen Dorfleben, besonders der Kerwei gewidmet sind, oder in den Holzschnitten von Walter Andreas Kirchner als Illustrationen zu schwäbischen Sprüchen.
Bei Stefan Jäger ist das Haus weder Attribut noch dekoratives Element, sondern ist organisch mit der Bildaussage verwachsen und wird Schauplatz der Handlung. In seinem Werk ist die Wohnkultur der Banater Schwaben am deutlichsten veranschaulicht. Viele Familienszenen spielen sich in der Küche ab, deren Einrichtung sich auf das Einfachste beschränkt: ein Tisch, ein nach unten geschlossener und oben offener Küchenkasten, das Zapfenbrett mit dem täglichen Kochgeschirr, Schüsseln und Tellern, eine Wasserbank hinter der Tür. Aus der Küche führt eine Tür in die der Straße zu gelegene gute Stube, das Gäste- oder Paradezimmer. Sie wird vom Maler niemals bewohnt dargestellt, sondern als Schau- und Schmuckstück mit besonderer Ehrfurcht und Detailtreue. In der Mitte der Stube steht der Tisch, darüber befindet sich die Hängelampe mit einem weißen oder bemalten Porzellanschirm, zu beiden Seiten stehen die hohen Betten, davor je eine Bank oder je zwei Holzstühle. Bettdecken und Tischtuch sind meist von gleicher Farbe und tragen dasselbe Muster. Neben den Betten steht je ein Kleiderschrank; zwischen den beiden Gassenfenstern befindet sich der Schubladkasten, darüber hängen mehrere Hinterglasikonen von kleinerem Format. Zwei größere Heiligenbilder sind über den Betten angebracht. Die weißen Vorhänge und das Schubladtuch sind selbstgestickt oder mit weißer Schlingerei verziert. In einer Ecke befindet sich der Lehmofen. Eine buntbemalte Truhe und das Zapfenbrett mit den bemalten Tellern sind beliebte Schaustücke der Bauernstube. Die meisten Jäger-Bilder führen uns jedoch die Kammer vor. Dieser Wohn- und Schlafraum der Familie ist nach der Küche gelegen. In den dargestellten Szenen versammelt der Maler zumeist die ganze Familie um den großen Tisch, sei es während der Mahlzeiten oder beim geselligen Zusammensein an den Winterabenden, in einer Spinnstube oder bei einer Kartenpartie, wobei jede Einzelheit durchgezeichnet ist. Kinder, vom Säugling in der Wiege bis zu Schulkindern verschiedenen Alters, beleben diese Bilder.
Jägers Werk ist nicht nur genaueste Bestandsaufnahme der Möbel und Wohnkultur der Banater Schwaben, sondern gibt uns auch eingehend Aufschluss über die „Speis“ oder Vorratskammer, über Stall, Wagen und Geräteschuppen, den Bauernhof – sowohl den Vorderhof mit den Blumen, dem niederen Lattenzaun, dem beliebten Oleander neben dem Schwengel- oder Kettenbrunnen mit seinem Lattengehäuse, zwischen Küche und Stall, den Hof mit dem Kleinhaus für die ältere Generation, dem Hauptgebäude gegenüber – als auch den Hinterhof mit Hühnerstall, Misthaufen, „Hambar“ für Kolbenmais und die Stroh-, Heu- und Maislaubschober.
Auch die Dorfanlage mit ihren geraden Haupt- und Nebengassen, mit den gleichmäßig angelegten Häusern wurde vom Maler festgehalten („Dorfstraße in St. Hubert“, „Hatzfeld von Norden gesehen 14.IV.921“, „Königshof“). Jägers Festtagsszenen spielen sich fast ausschließlich in der Dorfmitte ab, wo Kirche und Pfarrhaus, Schule und Gemeindehaus sowie das Wirtshaus stehen. Die Dorfstraße mit den Pappel-, Weiden-, Maulbeer- oder Akazienbäumen, das Gassenbänkchen mit den Sonntag-Nachmittagsszenen, die Gänsescharen zwischen Gehsteig und Fußweg, vor allem aber die Endreihen des Dorfes mit dem Ausblick auf die Hutweide und die Kaul (Hatzfelder Dorfpartie), all das können wir in Stefan Jägers Werk antreffen. Auch Franz Ferch hat seine Banater Dorfszenen oft in die Dorfmitte verlegt, doch diente sie ihm hauptsächlich als Kulisse für das Abwandeln der Haupthandlung, als Dekor oder als struktureller Hintergrund einer dekorativen Zeichnung, z.B. „Kreuzgasse".
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Bauerngestalten
Die Werke unserer Banater Maler gewähren nicht nur einen Querschnitt durch die Materialkultur der Schwaben, sondern ermöglichen auch eine Abgrenzung zwischen idyllischer Heimatkunst und sinnbildhafter Darstellung von Charakterzügen und Eigenschaften ihrer Landsleute. Obwohl Jäger kein ausgesprochener Porträtist war, sind seine Bauernbildnisse mehr als bloß ethnische Dokumente. Seine Bauern „saßen“ ihm niemals Modell; er hat sie stets während ihrer Arbeit in steter Bewegung oder während ihrer Feste, ebenfalls in bewegten Szenen beobachtet. Wir finden in Jägers Skizzenmappe neben Kompositionsentwürfen und Trachtenzeichnungen oftmals einen schönen Mädchenkopf – lebensnah und eindrucksvoll festgehalten. Da sind lächelnde Kindergesichter, Porträts von rotwangigen, gesunden Frauen oder aber Bildnisse von nachdenklichen Altbauern, die gemächlich ihre Pfeife rauchen oder Zeitung lesen, verwitterte Männergesichter oder gütige alte Großmütter am Spinnrad. Alle Generationen sind vertreten, doch nie ist eine Gestalt individuell herausgehoben, alle sind organisch in die Handlung des Bildthemas eingeflochten.
Ganz anders geht der Maler Emil Lenhardt vor; Seine Bauernbilder sind individuell, klar und groß aufgebaut. In der sachlichen Darstellung seiner Bauerngestalten verleiht der Künstler den Porträtierten etwas Biederes und Natürliches, wodurch die Vorstellung ruhiger Energie und tätigen Selbstbewusstseins hervorgerufen wird.
Franz Ferchs Bauernporträts hingegen stellen herbe, schwerblütige Menschen dar. Auch er malt den „Altbauern“ in einen geschnitzten Stuhl zurückgelehnt und behaglich rauchend, doch dominiert hier nicht mehr die Gemütlichkeit, wie bei Jäger, denn die monumentale Einzelfigur stellt Würde und Prästanz dar. Dies steigert sich noch mehr im „Porträt des Konrad Klamm“, wo die Stimmung allmählich zur Monumentalität, die Gemütlichkeit zur Repräsentation wird. Ferchs Bildnisse gehen oft über das Individuelle hinaus ins Allgemein-Menschliche, Sinnbildhafte, etwa die statuarisch angeordneten, symbolhaften Gestalten „Der Siedler“, „Der Tennmann“, „Der Jungbauer“, „Michael Bartolf“ oder „Der Brotschneider“. Im letztgenannten Bild ist das alltäglich-schlichte Geschehen – das Anschneiden eines Laibes Hausbrot – mit besonderer Pietät, sowohl der Gestalt als auch der Geste erfasst. Auch Stefan Jäger gestaltet dieses Motiv, doch bei ihm nimmt die ganze Familie an diesem Akt teil. Zumeist schneidet die Mutter den Brotlaib an – ein natürliches, alltägliches Familienerlebnis. Dieser Szene haftet nichts Idyllenhaftes an. Seine Bilder widerspiegeln die Welt des Dorfes harmonisch und glücklich ohne soziale Widersprüche. Obwohl es einfache Wirklichkeitsschilderungen sind, ist man geneigt, seine Bilder feierlich zu empfinden. Sie sind frei von Sentimentalität und von keinem falschen Pathos belastet, sondern einfach sachlich interpretiert, doch gerade diese Schlichtheit ist es, die den Bildern Schönheit verleiht, es ist die Schönheit des Wahren und Einfachen.
Saure Wochen…
Die Feldarbeit ist von den Banater Malern zu allen Jahreszeiten festgehalten worden. Stefan Jäger lässt Vater und Sohn die „Erste Furche“ ackern. Beide Gestalten stehen im Mittelpunkt seines Bildes, das symbolträchtig drei verschiedene Etappen der Rode- und Aufbauarbeit veranschaulicht.
Franz Ferch gestaltet auch dieses Thema des ackernden Bauern in monumentaler Auffassung: Die urwüchsige Gestalt des Pflügers tritt uns denkmalhaft entgegen, die kräftigen, gebeugten Schultern sind weit vorgeschoben, die überdimensionierten Hände ragen sinnbildhaft in den Vordergrund. Das Thema wird von Ferch in den sechziger Jahren mit verändertem Ideengehalt wieder aufgegriffen: Der jüngste Vertreter einer neuen Generation sitzt am Lenkrad eines Traktors und ackert seine erste Furche auf dem Gemeinschaftsfeld. Der Maler stellt in zahlreichen realistischen Bildern die Feldarbeit des Genossenschaftsbauern dar, so in „Wiederaufbau“, „Arbeitspause der Brigade“, „Die Traktoristin“, „Bewässerung“, „Kartoffelsetzen“, „Beim Schnitt“ und andere.
Auch Emil Lenhardt gestaltet in seinem Bild des ackernden Bauern mit Hilfe traditionsgebundener Formenkunst bodenfeste Realität. Auch hier wird die Wucht der Bewegung, das Zähe und Schwerfällige der Gestalten unterstrichen, doch schwingt auch eine gewisse Stimmung mit, ausgelöst von der Schwermut des Menschen, der einsam auf der weiten Flur des aufgeworfenen Ackerbodens, in gebeugter Haltung in seinem feierlich-sakralen Tun erschöpft. Wir empfinden darin die Herbheit des Erdigen und Urwüchsigen.
Ganz anders ist das Thema Arbeit von Stefan Jäger behandelt worden; keine Wucht, sondern bloß Stimmung liegt in seinem Alltagsrealismus. Jäger prägt in seinen Bildern wirklichkeitsnah erfasste Wesenszüge zu Genrebildern mit ethnographischem Einschlag. Mit einer fast wissenschaftlichen Genauigkeit flößt er den kleinsten und unscheinbarsten Dingen Leben ein. Es gibt nichts, was Jäger nicht wert wäre, gezeichnet oder gemalt zu werden.
Die spontansten Skizzen entstanden auf Jägers zahllosen Fußwanderungen durch die Banater Heide: das Ackern, Säen und Kartoffelsetzen, die Kartoffel- und Maisernte, der Schnitt und Drusch, das Maisbrechen und Auslieschen, die [[WK:0892|Weinlese und Heuernte, Marktszenen, Melonenhüter und Vogelscheuchen, eine Szene auf dem Heuwagen mit der Aufschrift „Rückwärts rum. Knabe spielt Flujer“, das Essentragen beim Schnitt, die Mittagspause einer rumänischen Bauernfamilie, das Bäumeausputzen, ein Hirte mit Schafherde oder rumänische Schafhirten im Wirtshaus, Jahrmarkt in Hatzfeld mit rumänischen Schaffmachern und Planwagen, heimkehrende Marktleute mit Wagen, die „Fratschlerinnen“ und viele andere Bildmotive, in denen sowohl die landwirtschaftlichen Geräte, von der einfachsten Reisigegge bis zur komplizierten Dreschmaschine dargestellt und mit den nötigen Erläuterungen versehen sind, als auch die Arbeitstracht der Schwaben genau festgehalten wird. Die Bäuerin trägt einen knöchelfreien Rock aus leichtem Kattun, meist blau gedruckt, eine ebenfalls dunkelfarbene Schürze und ein weißes Leinenhemd mit tiefem Halsausschnitt und Ärmeln bis zum Ellenbogen, darüber ein Leibchen und auf dem Kopf einen breitrandigen Strohhut oder ein Kopftuch. Der Bauer trägt weiße Leinenhosen, ein weißes Leinenhemd, eine dunkle Schürze aus grobem festen Gewebe und einen kleinen Strohhut. Später ersetzte eine dunkle gerippte „Strukshose" die weiße Leinenhose. Als Fußzeug dienen Schlappen und Patschen. Keine Spur von Schönfärberei haftet diesen Skizzen an, die auf nüchterner, sachlicher Beobachtung der Wirklichkeit beruhen. Es ist heimatverbundener später Impressionismus, dem wir hier begegnen, eine Heimatkunst, entsprungen aus dem engeren heimatlichen Lebensraum. Stefan Jägers Kunst ist Heimatmalerei nicht im Sinne von abwertendem Provinzialismus, Beschränktheit und Gefühlsseligkeit, wie man den Begriff oft abschätzig zu deuten versucht, sondern eine Heimatkunst im wahrsten Sinne des Wortes: eine Kunst voller echter Gefühle, Liebe zur Heimat, Freude an ihrer Schönheit, Achtung vor den Menschen und ihrer Arbeit, ihrer Tradition – eine Kunst, deren Wurzeln tief im Boden der Heimat und Überlieferung verankert sind. Dies ist es eben, was Stefan Jäger so beliebt macht bei den Banater Schwaben, die sich mit der Aussage dieser Bilder identifizieren.
…Frohe Feste
Im Werk des Heimatmalers Stefan Jäger haben besonders die Volksfeste und Bräuche der Banater Schwaben einen reichen Niederschlag erfahren: die Kerwei, das Erntefest und Maibaumsetzen, die Hochzeit und Taufe, der Engel mit Beelzebub, das Silvesterständchen, Faschings- und Trachtenbälle, die Mußestunden einer Spinnstube, die Kartenpartie, die Plauderstündchen auf der Gassenbank und Tanzunterhaltungen in den Wirtshäusern, die Hora im Freien und Heimfahrt nach der Assentierung mit der Anmerkung „Taugliche und Rippenfaule“, Schulprüfung und Schulschlussfeier, „Comedianten in einem schwäbischen Dorf“, Schlittenfahrt im Winter und andere typische Banater Dorfszenen. Dabei wurde nicht nur das Zeremoniell des Brauches bis in alle Einzelheiten notiert, vielmehr galt die besondere Aufmerksamkeit des Malers immer der Festtracht, die er in aller Farbenpracht darstellt. Wir erleben so die Vorbereitungen, vom sorgfältigen Bügeln der Röcke, vom Anlegen der Tracht und ihrem Prüfen vor dem Spiegel oder durch den Kennerblick der Mutter, bis zur festlichen Schaustellung. Mit besonderer Rücksicht auf die aufgebauschten Faltenröcke und bunten Schultertücher mit reichen Ziermotiven werden alle Unterschiede zwischen den Trachten der schwäbischen Dörfer notiert. Ausführliche Beschriftungen ergänzen die Aussage. Auch die Haartracht der Mädchen und Frauen, ihr Kopfputz und ihre Kopfbedeckung sowie das Hutputzen als Kerweibrauch wurde von Jäger skizziert. In seinen Mappen finden wir auch Blätter mit Bacskaer Mädchentracht, sächsischer und rumänischer Tracht. Immer wieder sind vier Generationen vertreten: Kinder-, Mädchen-, Frauen- und Altweibertracht stehen nebeneinander, wobei der Kindertracht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wird wie der prunkvollen Mädchen- oder der dunklen Weibertracht.
Zum Schönsten, was Stefan Jäger geschaffen hat, gehören seine Aquarellbilder. Er gewinnt dieser Technik prächtige Farbtonwerte ab; seine Farben leuchten festlich und ihre Transparenz verleiht den Bildern einen besonderen Glanz; aufrichtiges Empfinden und Freude am Detail ist mitbestimmend.
Seinen Bildern liegt ein höchst eindringliches und sorgfältiges Studium der Natur zugrunde. In diesem Sinne sind die vergilbten Blätter Stefan Jägers nicht einfach flüchtige, gelegentliche Skizzen von Momenteindrücken, sondern gründliche, methodisch durchgeführte Arbeiten, mit der Akribie und wissenschaftlichen Genauigkeit eines Ethnographen verwandt.
Dieses stete Einbeziehen von Tracht und Brauchtum in das Bildmotiv, wie wir es bei Stefan Jäger antreffen, können wir bei keinem Banater Künstler wiederfinden. Allerdings hat sich auch Franz Ferch in zwei zeitlich weit auseinanderliegenden Schaffensperioden, diesen Themen gewidmet. Erstens in den Jahren seiner frühen Heimatkunst, als er unter dem Einfluss Jägers und bedingt durch die Nachfrage seiner Landsleute, Trachtenbilder anfertigte. So malt er seine Schwester Helene in Bogaroscher Tracht, wobei er der Gestalt und der Tracht die gleiche Aufmerksamkeit widmet. Auch in einigen Wandgemälden der Kirchen von Lowrin und Perjamosch hat Ferch die schwäbische Tracht festgehalten. In einem späteren Bild „s Kleeni“ stellt Ferch ein kleines Semlaker Bauernmädchen in schwäbischer Tracht dar. Es kündigt jene Schaffensperiode des Malers an, in der er seine wuchtige Bauernmonumentalität entwickelt. Anfang der siebziger Jahre finden Volkskunst und Brauchtum wieder ihren Niederschlag in zahlreichen größeren Kompositionen des Malers. Es entstehen nun Bilder wie „Kerwei“, „Erntefest“, „Banater Dorf“, „Lebzelten“, in welchen Ferch Barockgiebel und Volksmotive wie seine beliebten Lebzeltformen als dekorative Elemente in die Komposition aufnimmt.
Die Kerwei bildet auch ein beliebtes Thema in der Grafik von Hildegard Kremper-Fackner. Mittels einer schwungvollen Linienführung und sensibler Farbabstufung gestaltet sie in ihren Aquaforte und Aquatinta stilistische Feinheiten der Volksmotive und Trachten und kehrt ihre dekorativen Werte in den Vordergrund.
Bei Walter Andreas Kirchner drängt nicht das formale Motiv zur Bildgestaltung, sondern in seinen Holzschnitten entwickelt er eine starke expressive Bildaussage, um den Ideengehalt zu verdeutlichen. Ein gesunder Humor ist kennzeichnend für viele seiner Blätter.
Man könnte noch unzählige Themen nennen, die aus dem Reichtum des schwäbischen Volkslebens in die Werke der Banater Maler Eingang gefunden haben, die so eine umfassende Trachtenschau und in Bildern gestaltete Banater Volkskunde ergeben.