Stefan Jäger, Bewahrer mit Stift und Pinsel
Bibliografie | |
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Artikel Nummer: | 0187 |
Titel des Artikels : | Stefan Jäger, Bewahrer mit Stift und Pinsel |
Publikation: | Zeitung |
Titel der Publikation: | Neuland |
Erscheinungsort: | Salzburg |
Jahrgang: | 30 |
Datum: | 16.07.1977 |
Folge: | 7 |
Seite: | 3 |
* * * *: [[ART:0187 - Stefan Jäger, Bewahrer mit Stift und Pinsel|<i>Stefan Jäger, Bewahrer mit Stift und Pinsel</i>]]. Neuland, Salzburg 16.07.1977 (Jg.30 Folge7), S. 3 |
Die hundertste Wiederkehr des Geburtstages des bislang im Donauschwabentum bekanntest gewordenen Malers Stefan Jäger muß für uns hinreichend Anlaß sein, uns seines Künstlertums und seines meisterlichen Könnens zu erinnern. Wenn sein Name auch nicht in den großen Büchern zur Kunstgeschichte steht, so zählt er dennoch für uns zu den Großen unserer Geistes- und Kulturgeschichte. Nicht nur, daß er vieles von unserer einstigen, für immer versunkenen Welt in unermüdlichem Schaffen mit Stift, Farbe und Pinsel festgehalten hat, und uns eine Chronik des schwäbischen Dorfes in Farbe hinterließ, sondern auch, weil ihm mit seinem dreiteiligen Bild über die Einwanderung der Schwaben ins Banat eine der nachhaltigsten Wirkungen für die Bildung des Geschichtsbewußtseins unseres Völkleins gelang. Adam Müller-Guttehbrunns Heimatromane und das „Einwanderungsbild“ Jägers wollen im Zusammenhang gesehen werden. Wo Bücher oft nicht hinkamen, hingen Farbdrucke des Jäger'schen Gemäldes und erzählten auf ihre Art, wie die Schwaben Heimat gesucht und gefunden haben. Auch der Schreiber dieser Zeilen stand als Kind oft vor einem deutsch und ungarisch beschrifteten Druck und erlebte eine Bilderzählung, wie das heute unsere Kinder an der Flut der Bilder kaum noch erfahren. Das „Einwanderungsbild“ ist auch heute, in dem vom Pannonia-Verlag, Freilassing, herausgebrachten Vierfarbendruck bei vielen donauschwäbischen Familien in aller Welt nicht nur als Wandschmuck sondern auch als Bekenntnis der Zugehörigkeit zu diesem Stamme anzutreffen.
In Tschene, im heutigen rumänischen Banat geboren, ließ sich Stefan Jäger nach seiner Ausbildung in Budapest und nach zwei Auslandsreisen zu Studienzwecken 1910 endgültig in Hatzfeld nieder, dem er bis zu seinem Tode am 16. März 1962 treublieb.
In Hatzfeld und in dessen engerer und weiterer Umgebung entdeckte er dann die Welt seiner Kunst und findet in ihr mit jedem Tag neue Motive. Er zeichnet und malt, wie seine Augen die Bilder sehen und widerspiegelt wirkliches Leben. Daß dieses Leben einer Art Land- und Dorfromantik abgeschaut zu sein scheint, und seinen Bildern sozusagen jede Schattenseite des Lebens fehlt, war wohl ein oft zu hörender Einwand gegen seine Kunst, aber auch spätere Banatbesucher und Beobachter des dortigen Lebens gingen gewöhnlich bei ihrer Suche nach Tragisch-Großem leer aus. „Im Schnitt", „Garwe benne“, „Am Brunnen“, „Beim Bügeln“, „Mutter und Kind und Godel mit dem Apfel“, „Dorfklatsch“, „Beim Kirchgang“, „Kerwei“ und wie seine Bilder sonst benannt sein mögen, bei keinem dieser Motive gab es Aufregendes oder Gegensätzliches, mit dem das eine oder andere Bild mit „Problemen" aufgeladen hätte werden können. Derartiges trug sich in den Skizzen seiner letzten Lebensjahre zu, die aber seine persönlichste Aussprache mit der „Not der Zeit“ darstellen, verschwiegen werden mußten und auch heute verschwiegen werden.
Sicherlich war Jäger ein Sucher des Stillen und Schönen im Lande, suchte und fand die Zufriedenheit der Menschen und fing auch die Ruhe des Himmels und der Landschaft ein, die sie ausstrahlten.
Wenn uns heutige Betrachter angesichts dieser Ruhe und Zufriedenheit eine leise Wehmut befällt, was gelegentlich dazu verleitet, Jäger einer gewissen Sentimentalität zu bezichtigen, so doch nur weil uns das Nahverhältnis zum Nachbarn zum Mitmenschen, und die unzertrennliche Verwobenheit mit der Natur, mit Himmel und Erde, abhanden gekommen sind. Jägers Kunst zehrte aber genau von dem, was wir jeden Tag mehr verlieren.
Wenn er, wie wir aus seinem Leben wissen, auf vielen Wanderungen die Banater Heide und Hecke durchstreifte, und lebensechte Skizzen für spätere größere Arbeiten einsammelte, und auf den Blättern Notierungen anbrachte, dürfte er sicherlich. auch Gegensätzen begegnet sein, aber sie gaben für ihn kein Thema ab. Blumen und Gräser auf Feldern und Wiesen, entlang der Gewannen und Sümpfe waren ihm eindeutig lieber. Dafür zeugt ja auch seine Liebe für das „Stilleben", deren viele anmuten, als wären sie Farbfotos unserer Tage.
Da wir Jäger in der Überschrift unseres Artikels als einen „Bewahrer" bezeichnet haben, bleibt noch ein Wort darüber zu sagen. Sein zeichnerisches und malerisches Werk ist in der Tat eine einmalige Bilderschau über Volkstum und Volksgut, wer z. B. Aufschlüsse über unsere einstige Trachtenlandschaft braucht, wird sie in seinem künstlerischen Werk finden, wie auch jener auf seine Rechnung kommen wird, der sich nach bestimmten Formen, von Fest und Feier oder nach einstigem dörflichem Leben erkundigen will. Dabei ist voller Verlaß auf den Künstler,denn für ihn war auch jedes kleinste Detail von Bedeutung, ob Rockfalte, Schultertuch Haartracht oder die Pfeife in der Hand eines Bauern, Der Zeichner und Maler Jäger erschließt uns, wie kein Erzähler oder Schriftstellar das tun hätte können, unsere Welt in ethnographischer Treue.
Karl-Hans Groß berichtet dazu im Maiheft der rumäniendeutschen. Zeitschrift „Volk und Kultur“ anhand der Skizzen, die er im Banater Museum in Temeswar einsehen konnte: „So überaus klar und verständlich sind seine Bildskizzen, durch die er uns nach allen Richtungen hin mitführt, an Feldern und Dörfern vorbei, bis „Engelsbrunn" über die Brücke, am Haus mit dem Radbrunnen und am steinernen Standbild mit dem Säulendach vorbei nach ,Guttenbrunn’, das ‚Sterzel-Gässel’ hinan mit den schmucken enganeinander gerückten Häuschen, nach ungenannten anderen Orten, nach ,Gertjanosch’ und dicht am ‚Ortsbeginn von Klein-Jetscha’ entlang. Und weiter führt uns der kundige Wanderer an der ,Tschanader Windmühle’ vorbei, auf dem ,Grabatzer Sommerweg’ der ,Hatzfelder’ Heimstätte zu. Von weitem läßt er uns die Silhouetten des großen Dorfes erkennen, mit dem schlanken Turm, der seine Spitze in die Höhe reckt, und dem halben Dutzend rauchender Schlote, die hoch über dem ausgedehnten niederen Häusermeer der bäuerlichen Gehöfte stehen. Hier sind die vielen 'Dorfpartien', die ,Südzeile’, der ‚Dorfrand mit Weiher’, die Kaul, das Zettelhaus]], das Steigerhaus am großen Marktplatz und vieles andere zu sehen. Und weiter zieht der nimmermüde Wanderer nach ,Ostern’, der ,Hauptgasse von Norden her’ entlang, hinüber nach ‚Skt. Hubert von der Friedhofsseite’ bis in die ‚Bacska’, ‚Baranya’ und ‚Schwäbische Türkei’ nach ,Gaydobra’, ‚Puraputy’ und anderen Orten mehr. Dabei entgeht ihm aber auch nichts von all dem emsigen Treiben auf den Feldern und Fluren. Er kommt am ,Wegkreuz’ vorbei, und würziger Duft von frischgemähtem Korn weht ihm ein leichter Luftstoß an diesem heißen Sommertag im „Schnitt“ entgegen. Leere und volle Leiterwagen kommen vorbei. Staubwolke wirbeln in die Luft. Auf kurzer Entfernung sind die Schnitter beim ,Essen auf dem Feld'. Wie ein malerischer Blickfang hebt sich der irdene Rundtopf vom weißen Farbton des typischen Schnittergewandes ab 'Am anderen Tag ist Jäger beim ,Erdäple ausmachen’, beim ,Laubabschneiden’ und ,Storze raffe’ mit dabei. Er verweilt vor dem ,Weingartenhüter’, sieht die ,Walze mit dem Sitzbrett’ auf dem offenen Felde stehen und läßt sich nichts von den einzelnen Dingen und Erscheinungen auf seinen Wanderungen entgehen. Und im Dorf selbst kommt er nicht nur beim ‚Gastwirt’ vorbei, sondern sieht dem Treiben auf der Gasse zu, wenn die ‚Comedianten kommen’, die ,Schaffelmacher’ durch die Gassen fahren, Prozessionen, Kerwei- und Hochzeitszüge an Schaulustigen vorbeiziehen. Er kehrt aber auch in die gastfreundlichen Häuser ein ,Als Gast bei Guttenbrunner Kerwei’, ist in ‚Jahrmarkt’ bei der Bewirtung beim ,Vorstraußmädchen’ dabei und sitzt ‚Beim Kartenspiel’ mit den Männern ,In der guten Stube’, während die Frauen ihre Spinnräder treiben, ,In der Reih’ oder ‚Zerstreuung im Winter’ suchen. So lernen wir durch diese Skizzen und die eigenhändigen Notierungen nicht nur Land und Leute durch den Maler kennen, sondern mit diesen den Menschen und Künstler Jäger selbst.“